Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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Marianne Fritz: Der verdächtige Glanz der „glatten“ Sätze 153<br />
wortlich ist, aufgrund der von Kindheit an zugeordneten Bezeichnung als<br />
Unglücksrabe: »Armes, armes Hascherl! Arme, arme Berta!«<br />
In Wahrheit wirkt der soziale Diskurs entscheidend für <strong>di</strong>e psychologische<br />
Verwirrung Bertas, nicht zuletzt wegen des Aberglaubens, wegen der<br />
in ihrer Psyche so subtil verankerten Unsicherheit: das signalisiert <strong>di</strong>e erzählerische<br />
Instanz durch <strong>di</strong>e mehrfache, wiederholte Verwendung der<br />
Nummer 13, als Hausnummer und vor allem als Geburtstagsdatum Bertas.<br />
Aus Aberglauben kann der Mensch unerträglich leiden und daran sogar<br />
sterben, wenn er/sie nicht <strong>di</strong>e Kraft findet, rechtzeitig Worte der<br />
Selbstsicherheit, der Selbstbehauptung zu finden, um den anderen einen<br />
eigenen Diskurs entgegenzusetzen, um Anspruch auf Selbstverwirklichung,<br />
auf Selbstaffirmation, und schließlich auf menschliche Würde zu erheben.<br />
3.3. Zwischen Weiblichem und Männlichem: Wilhelm der Chauffeur und<br />
Geh-her-da. Oder: Der Träumer, der nicht träumte<br />
In der Textpraxis sind <strong>di</strong>e Eigennamen selbst bedeutungsbeladen, und<br />
merkwür<strong>di</strong>gerweise ist es <strong>di</strong>e energische Wilhelmine selbst, <strong>di</strong>e es behauptet:<br />
» ›[...] Nicht zufällig tragen wir den gleichen Namen. Nicht zufällig!<br />
Wir sind eben zu guter Letzt immer ein Herz und eine Seele.‹ « (S.V.,<br />
S. 15)<br />
Die kräftige Betonung der Wichtigkeit der Gefühle wirkt sich besonders<br />
ironisch aus, weil <strong>di</strong>e Figur, <strong>di</strong>e sie ausspricht, das Gegenteil verkörpert<br />
und sicher keinen Sinn für Herz und Seele hat. Sie gebraucht <strong>di</strong>ese<br />
Worte als bewusste Strategie: dank ihrer Schlauheit, ihrer groben Intelligenz<br />
weiß sie, dass Wilhelm im Grunde noch viel Wert auf <strong>di</strong>e erste Frau<br />
Berta legt, und dass er bei ihr, der neuen Frau, vermutlich nicht glücklich<br />
ist.<br />
Er selbst empfindet <strong>di</strong>e Ausweglosigkeit seiner aktuellen Existenzform,<br />
indem er den Eindruck äußert, unter einer heißen und dumpfen, schweren<br />
Dunstglocke schwer atmen zu können: er vergleicht <strong>di</strong>ese Empfindung der<br />
Atemlosigkeit, des Unbehagens mit einem Nilpferd. Es ist aber für den<br />
Leser/<strong>di</strong>e Leserin klar, dass hinter <strong>di</strong>esem Bild eines komisch großen und<br />
im ganzen sympathischen, oft als Spielzeug verwendeten Tieres <strong>di</strong>e Ironie<br />
der Autorin lauert. Es handelt sich dabei um keine Unterschätzung der<br />
Atemnot Wilhelms, sondern um eine Metapher, wodurch <strong>di</strong>e Fähigkeit