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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Marlene Streeruwitz: Eine Poetik des Suchens 241<br />

gen, wie mit der Frau Gemahlin verfahren hätte werden können.<br />

Damals. [...] Die Geräte waren echt. Alle gebraucht. Auch <strong>di</strong>e Waffen.<br />

Das versicherte der Führer immer wieder.« (Verf., S. 105)<br />

In dem darauffolgenden Gespräch mit den Töchtern beim Essen reflektiert<br />

Helene weiter über <strong>di</strong>e Episode und muss selber an das Leiden<br />

jener Frauen der Vergangenheit denken und wie sie als Mutter den Kleinen<br />

<strong>di</strong>e Folgen der Weiblichkeit erklären soll:<br />

»[...]Und wie kleinen Mädchen beibringen, was zu erwarten war?«<br />

(Verf., S. 107)<br />

In ihrem Band Nicht ich erklärt Christina von Braun, dass nach dem<br />

Logos und seinen Gesetzen (nach einer tausendjährigen Tra<strong>di</strong>tion, es<br />

werden schon <strong>di</strong>e griechischen Denker Aischylos und Aristoteles zitiert)<br />

Mütter nicht Mütter sein dürfen: sie müssen Mütter sein. Der Abstraktionsprozess<br />

des Logos trennt <strong>di</strong>e Kinder von ihren Müttern, scheidet Geist<br />

von Materie, verurteilt <strong>di</strong>e „Naturbande“, <strong>di</strong>e „Triebe“: deshalb muss das<br />

Verhältnis von Mutter und Kind nur von einem vom Logos, vom Ordnungsprinzip<br />

vorgeschriebenen Band bestimmt werden. Die patriarchalische<br />

Gesellschaft schreibt Erziehungsrezepte dazu vor, <strong>di</strong>ktiert Regeln und<br />

Maßnahmen, nach denen eine fremdbestimmte Mütterlichkeit agieren<br />

muss.<br />

»Solidarität von Kindern und Müttern ist <strong>di</strong>e gefürchtete und deshalb<br />

tabuisierte Situation.« 100<br />

Das beweist <strong>di</strong>e Autorin Marlene Streeruwitz in ihrem Roman Verführungen.,<br />

durch <strong>di</strong>e weibliche Figur Helene, <strong>di</strong>e gerade <strong>di</strong>ese Situation erlebt<br />

und ihre Solidarität mit den Kleinen „tapfer“ vertei<strong>di</strong>gt.<br />

Wie stark sie sein muss, um <strong>di</strong>ese Solidarität zu befestigen, um den<br />

Wert ihrer Mütterlichkeit zu behaupten, zeigt <strong>di</strong>e Szene mit der Schwiegermutter,<br />

der alten Frau Gebhardt, <strong>di</strong>e ihr vorwirft, eine „schlechte“<br />

Mutter zu sein, weil sie für keinerlei „Ordnung“ sorgt:<br />

»Aber. Helene werde schon noch sehen. Und. Unter solchen Umständen<br />

wäre es ja doch besser, Gregor übernähme <strong>di</strong>e Kinder. Sie<br />

sei zu verantwortungslos. Schulden! Die Kinder würden das lernen.<br />

Das alles. Keine Ordnung. Es gäbe keine Ordnung in Helenes Leben.<br />

Für Kinder wäre das das Schlimmste.« (Verf., S. 263)<br />

100 Marlene Streeruwitz, Sein. Und Schein. Und Erscheinen., S. 28. Vgl. dazu Christina<br />

von Braun, Nicht ich: Logik, Lüge, Libido (1994), Kapitel IV: „Bessere Mütter“, S. 210 ff.

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