Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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172 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
will, über Leben und Tod, über Sieg und Niederlage, über das Gute und<br />
das Böse zu entscheiden, ohne dass der Einzelne etwas erwidern kann:<br />
»Du bist zu nichts zu gebrauchen.« (S.V., S. 62)<br />
Das Unbehagen Bertas wächst progressiv im Laufe der Erzählung: Sie,<br />
<strong>di</strong>e unter Schlafstörungen stän<strong>di</strong>g leidet, fühlt sich immer demütiger, auch<br />
weil <strong>di</strong>e Tochter, <strong>di</strong>e so sehr geliebte Klein-Berta, dem Bruder Rudolf von<br />
Tag zu Tag ähnlicher wird:<br />
»Was sie aber nachdenklich stimmte, war Klein-Berta, <strong>di</strong>e von Tag zu<br />
Tag Rudolf ähnlicher wurde, immer mehr dazu überging, <strong>di</strong>e<br />
Schultasche am Riemen hinter sich herzuziehen.« (S.V., S. 65)<br />
Schon das Geräusch <strong>di</strong>eses Schleifens, das <strong>di</strong>e Demotivation der Kinder<br />
symbolisiert, dringt in ihre Ohren „gleich einem bösen Omen“. Die<br />
Verwirrung der Kinder nimmt also <strong>di</strong>e Form eines Lautes an, der als Zeichen<br />
für ihre Probleme von der Mutter gehört und unbewusst interpretiert<br />
wird.<br />
Umsonst versucht <strong>di</strong>e Mutter, ein Gespräch mit den verstörten Schülern<br />
zu führen: sie selbst, <strong>di</strong>e immer wieder zum Schweigen gebracht wird<br />
durch Wilhelmines Vorwürfe, stellt verzweifelt Fragen, um Kontakt mit<br />
den beiden aufzunehmen, will <strong>di</strong>e eigene Lakonie besiegen, um das erschreckende<br />
Schweigen zu unterbrechen, wie es auf Seite 66 reproduziert<br />
wird:<br />
» ›So. So.‹, sagte sie. ›Der Regen hört ja gar nicht mehr auf.‹<br />
Schweigen.<br />
›Der Papa hat angerufen.‹<br />
Schweigen.<br />
›Es geht ihm gut.‹<br />
Schweigen.<br />
›Er hat viel zu tun.‹<br />
Schweigen.«<br />
Erst am Ende von Seite 67 entdeckt man, dass Klein-Berta auch<br />
Schwierigkeiten in der Schule hat, und dass <strong>di</strong>e beiden Kinder Sätze wiederholen,<br />
<strong>di</strong>e „Tante Wilhelmine“ ihnen in den Mund gelegt hat, Sätze, <strong>di</strong>e<br />
auch ihre negative Einstellung zu der Mutter ausmachen:<br />
» ›Rudolf! Woher hast du das nur?! Unsere Berta lernt doch leicht. So<br />
ist es doch, Berta? Du lernst doch leicht? Darüber waren wir uns<br />
doch einig?‹ «<br />
Aber <strong>di</strong>e Kinder reagieren nicht positiv auf das Anflehen ihrer Mutter: