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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Marianne Fritz: Der verdächtige Glanz der „glatten“ Sätze 151<br />

»[...] <strong>di</strong>e verbale Aggression ein gerichtetes, intentionales Verhalten,<br />

das darauf abzielt, <strong>di</strong>e allgemeine, biologisch-psychologische „Fitness“<br />

einer Person zu beeinträchtigen.« 34<br />

Das bedeutet, wie Frank betont, dass das beschriebene Verhalten vor<br />

allem <strong>di</strong>e „Imageintegrität“ der betroffenen Person – ihre soziale Akzeptanz<br />

als ernsthafte und ernstzunehmende Person – zerstören will, um somit eine Dominanzbeziehung<br />

herzustellen.<br />

» ›Berta. Du schläfst zuviel‹, sagte Wilhelmine leicht tadelnd und<br />

schüttelte den Kopf.<br />

›Du bist mit deinen Gedanken immer woanders.‹ « (S.V., S. 58)<br />

Damit ist das Selbstbild Bertas entscheidend beeinflusst, durch <strong>di</strong>e<br />

Wortwahl, <strong>di</strong>e Wirkung des Sprechaktes („leicht tadelnd“ ist <strong>di</strong>e Einstellung<br />

der Sprecherin), <strong>di</strong>e Mimik (das Kopfschütteln) und <strong>di</strong>e Tatsache,<br />

dass der Sprechakt vor einem Publikum (Wilhelm und seinem Kollegen<br />

Fer<strong>di</strong>nand Wolf) sich ereignet, wobei Berta nichts einzuwenden hat, auch<br />

weil <strong>di</strong>e anderen schweigen, also mit der Wertung Wilhelmines implizit<br />

einverstanden erscheinen.<br />

Diese kollektive Stimmung wirkt negativ auf Klein-Rudolf, der sein<br />

Unbehagen und das Leiden der Mutter sozusagen physisch, in ein „physisches<br />

Mißgeschick“ verwandelt.<br />

Wie reagiert Berta darauf?<br />

Sie akzentuiert das Problem, indem sie es zur „Schuld“ erhebt, <strong>di</strong>e auch<br />

bestraft oder bezahlt werden soll, indem sie sich und den Sohn, als perfekte<br />

Opfer, freiwillig der Lächerlichkeit aussetzt:<br />

»Berta nahm den Knaben bei der Hand, entschul<strong>di</strong>gte sich und<br />

suchte das peinliche Mißgeschick Rudolfs, so gut es ging, zu vertuschen.<br />

Sie sagte: ›Die Handwerker mögen mich kurz entschul<strong>di</strong>gen.<br />

34 Karsta Frank (1992), S. 11: »Ziel der linguistischen Ethologie als einer kultur-anthropologischen<br />

Disziplin ist es, Sprechhandlungen über ihre in<strong>di</strong>viduelle, situationsgebundene<br />

Einmaligkeit und ihre soziale Konventionalität hinaus generell zu erklären als<br />

„Verhalten“, das in seiner Entstehung und Entwicklung beeinflußt ist durch in der<br />

Phylogenese entstandene Verhaltens<strong>di</strong>spositionen.« K. Frank zitiert das Werk von Sven<br />

Frederik Sager: Reflexionen zu einer linguistischen Ethologie (1988). – Aber sie fügt hinzu, dass<br />

Sagers Begriff der verbalen Aggression nur auf Sprechhandlungen anwendbar sei,<br />

während der Gewaltbegriff in der in ihrer Arbeit entwickelten Fassung ihr erlaube, einen<br />

Zusammenhang zwischen konkreten Sprechhandlungen und deren psychologischen, gesellschaftlichen<br />

und sprachlichen Be<strong>di</strong>ngungen zu stiften. – Diesem Konzept bin ich bei<br />

meinen Textanalysen gefolgt.

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