Das Gold von Maraskan - Darpatien

Sigismund wählte bewusst diese Worte. Wie sonst sollte er auf die Schnelle erklären, wieso sich eine Riesenkrake
und untote Piraten an Bord befänden. "Wir haben die meisten Piraten besiegt, und der Käpt´n Mercurio ist mit dem
Beiboot geflohen. Aber der Dämonenknecht hat uns eine Kreatur der Verderbten auf das Schiff gehetzt."
Überraschung war auf den Gesichtern der Matrosen zu sehen, aber dennoch kletterten einer nach dem anderen die
Leiter herauf. Egal, was sonst vor sich ging, erst einmal raus aus dem Verlies.
"Was hat das alles zu bedeuten? Du und Deine Gefährten, ihr dient doch dem Kapitän! Selbfried hatte recht..."
bohrte Kapitänin Undinai nach.
"Ach Mumpitz! Ein Riesenkrak greift das Schiff an, wir haben jetzt andere Sorgen. Erklärungen folgen später. Dort
drüben ist die Waffenkammer, folgt mir!"
Ohne eine Antwort abzuwarten hastete Sigismund die Leiter hinauf, ein paar der Matrosen folgten ihm. Sigismund
führte sie in den Laderaum zu einigen Kisten. Hier wurden, wie er wusste, die Waffen der Piraten aufbewahrt.
Sigismund öffnete die Kisten, und die Matrosen bedienten sich.
"Nun macht schon!" trieb Sigismund sie zur Eile an. "Sobald der Krak besiegt ist kann Undinai wieder das
Kommando übernehmen!" Nach und nach folgten auch die restlichen Matrosen.
Odilon und Alrik schwangen ihre Schwerter gegen die Untoten Matrosen, zugleich näherte sich das Untier in ihrem
Rücken. Die Untoten waren dabei Odilons geringste Sorge. Wie er wusste waren Untote aufgrund ihrer
Langsamkeit für einen geübten Kämpfer keine wirkliche Bedrohung, so lange sie nicht in deutlicher Überzahl
waren. Und das waren sie nicht, denn in Kürze würden hier die Matrosen auftauchen. Allein das Untier aus der
Meerestiefe war ein schier unüberwindlicher Gegner. Odilon wich mit tänzerisch anmutender Bewegung der
humpelnden Linne aus und hieb mit einem mächtigen Streich das gesunde Bein der unroten Piratin auf dieselbe
Länge wie das abgebrochene Holzbein. Alrik setzte Xenia mit geschickten und schnellen Hieben zu. "Zur Seite,
Vater!" rief Alvan. "Gib mir freie Schussbahn!"
Die Halbelfe hatte sich von dem unmittelbaren Kampfgetümmel entfernt und hatte sich der hinteren
Steuerbordhornisse angenommen. Das Gerät war dasselbe, wie sie es doch von ihrer Zeit als Richtschützin zur See
kannte, Rur und Gror sei es gedankt. Mit wenigen raschen Handbewegungen machte sie das Geschütz klar und hieb
mit dem Entermesser mit vier wuchtigen Hieben den Sicherungsbolzen ab - wie jede gängige Hornisse war das
Geschütz auf diese Weise dagegen gesichert, im Enterungsfall gegen die das Schiff verteidigende Mannschaft
eingesetzt zu werden. Keine wirkungsvolle Sicherung, wenn man den Mechanismus kannte. "Aus dem Weg!" rief
Alvan noch einmal. Odilon hechtete zur Seite. Alvan begann zu kurbeln. Im raschen Rhythmus schoß sie die
Bolzen ab. Das große Meeresungetüm war auf diese Weise nicht zu verfehlen. Alvan zielte auf den Leib der Krake,
den Tentakeln würden die Geschosse, sofern sie überhaupt treffen würden, nicht viel Schaden zufügen. Aber eine
große Anzahl Bolzen im Leib des Ungetüms sollte seine Wirkung tun. Alvan kurbelte weiter. Bolzen um Bolzen
stakten im Körper des Ungetüms, das davon jedoch nicht beeindruckt erschien, sondern sich weiter daran machte,
seinen schweren Leib gänzlich an Deck zu ziehen. Erst nach und nach wurde die wahre Größe des Ungetüms
offenbar. Allein der Leib durchmaß gut und gerne anderthalb Schritt, und die Tentakel der Riesenkrake waren wohl
vier bis fünf Schritt lang!
Odilon und Alrik zogen sich weiter nach Backbord zurück, wo sie sich den Piraten widmeten. Alrik war in einen
waren Kampfrausch verfallen. Es schien, als sei der Friedwanger es ein für alle mal Leid, sich mit Piraten, egal ob
lebend oder unrot, herumzuärgern. Mit wütenden heftigen Hieben bedrängte er Xenia, wich deren Hieb aus und
schlug ihr mit einem einzigen wohlgezielten Schlag den Kopf von den Schultern.
Alrik hörte das Geräusch gar nicht, mit dem der Kopf über Bord rollte und ins Wasser fiel. Ohne inne zu halten
setzte er Kobad nach, der gerade Odilon angriff, und stach ihm von hinten das Schwert in den Leib. Dann stellte er
sich Torben zum Kampf, während Odilon der mehr kriechenden als kämpfenden Linne den endgültigen Garaus
machte, ehe er sich mit Sauerbrot befasste.
Ein letztes Mal gab Alvan einen Schuß auf die Krake ab. Das Magazin war leer. Einen guten Treffer hatte Alvan
gelandet, auch das zweite Auge des Ungetüms war durch ein Geschoss erblindet. Aber die verwundete Krake hatte
sich an Deck gezogen und schlug wild mit allen Tentakeln um sich.
Den Zwölfen dank kamen mittlerweile die ersten der von Sigismund alarmierten Matrosen an Deck, wenig später
folgten auch die befreiten Matrosen. Torben und Sauerbrot waren unter den Hieben von Alrik und Odilon gefallen,
jedoch wütete das Seeungeheuer weiter ungehindert an Deck. Zwar war es ein leichtes, außer Reichweite der
Tentakel zu bleiben, doch mit der Zeit würde das wütende Ungeheuer die Fran-Horas zerlegen, würde man es nicht
aufhalten. Das Segeltuch wies bereits einige Risse auf, die die Tentakel geschlagen hatten, und es war nur eine
Frage der Zeit, bis auch der Mast und die anderen Deckaufbauten in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Alvan hastete mittschiffs. Gefährlich nahe stand sie nun an dem wütenden Ungeheuer, doch hier befand sich der
Aal, jenes Torsionsschleudergerät, mit dem man schwere lanzenartige Geschosse auf feindliche Schiffe schießen
konnte um deren Segel und Takelage zu beschädigen. Aber Mercurio hatte das Geschütz wohl eher zur Hai- und
Waljagd eingesetzt, denn neben dem Aal befanden sich drei Harpunen mit Widerhaken und mit einer
Seilsicherung.
101