Das Gold von Maraskan - Darpatien
Das Gold von Maraskan - Darpatien
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irgendwie vom dräuenden Land wegzukommen. Plötzlich war ihr Vater neben ihr, hielt ihr die zitternde Hand. Der<br />
Sturm orgelte so laut, dass sie nicht verstehen konnte, was er sagte, und es war zu dunkel, um den Sinn seiner<br />
Worte einigermaßen <strong>von</strong> den Lippen ablesen zu können. Nein, an einen Aufstand durften sie unter diesen<br />
Bedingungen nicht mehr denken.<br />
Der Widerschein der Blitze war bis unter Deck zu sehen, Donner krachte. Wie ein übermütiges Füllen sprang die<br />
Fran-Horas auf und ab, kletterte Wellenberge hinauf und stürzte sich mutig in die Wellentäler. Regen prasselte auf<br />
das Deck. Immer wieder überschwemmten regelrechte Kaventsmänner das Logis, spülten ein paar zurück<br />
gebliebene Seeleute mal hier hin, mal dorthin. Alvan sah, wie ihr Vater betete.<br />
Die Zeit verging. Irgendwann schreckte Alvan auf. Sie musste vor Erschöpfung eingeschlafen sein. Der Orkan<br />
tobte und wütete mit unverminderter Kraft. Ihr Vater war verschwunden. In brennender Sorge, er könne an Deck<br />
gegangen sein, taumelte sie hinauf.<br />
Draußen war es erschreckend hell, was nicht nur an dem Geflecht aus mäandernden, purpurnen Blitzen lag, die den<br />
nachtschwarzen, mit gehetzten Wolken angefüllten Himmel durchpeitschten. Die grüngrauen Brecher, umhüllt in<br />
einen Schleier aus bleifarbener Gischt, schienen in einem fahlen Geisterlicht aus sich selbst heraus zu leuchten,<br />
wenn sie dumpf krachend über die Reling hereinbrachen und sich als weißer Schaum über das glitschige Deck<br />
verteilten. Alvan spürte, wie sie zu Boden gerissen wurde und mit vollgesogenen Hosen der zurückweichenden<br />
Welle folgte, um schmerzhaft und hart gegen die Bordwand zu krachen. Mühselig stand sie auf, nur um erneut<br />
unter einem schweren Brecher zu Boden zu gehen, der sie diesmal direkt am Kopf traf. Ein weiteres Mal stand sie<br />
auf, versuchte sich an dem dicken Tau der Hauptmastwanten festzuhalten. Dies war ein Fehler, denn die nächste<br />
Welle bekam sie nun umso leichter fassen. In einem Wirbel aus grünweißlich leuchtendem Wasser wurde die<br />
Halbelfe da<strong>von</strong> gerissen; für einen Moment glaubte sie gar zu fliegen - nicht einmal ein sonderlich unangenehmes<br />
Gefühl. Als sie wieder klar denken konnte hing sie mit den Händen an der Steuerbord-Wand. Erst als ihre Füße<br />
mitsamt dem sich neigenden Schiff ins Wasser tauchten, realisierte, dass sie sich außerhalb der Fran-Horas befand.<br />
Die Erkenntnis raubte ihr fast mehr den Atem als die gewaltigen Fluten, die über das Deck hinwegdröhnten, wie<br />
Geysire aus den Schlitzen der Speigatten fuhren oder gleich einem Hämmerwerk aus beißendem Salz und eisigem<br />
Wasser auf sie eindroschen. Sie hatte keine Kraft mehr, sich festzuhalten. <strong>Das</strong> also war das Ende.<br />
Ein Handhaken packte sie am Kragen, zog sie an Bord. Schemenhaft, hustend und wasserprustend, sah sie<br />
Mercurio vor sich, grinsend. Wir sind quitt, schien sein Grinsen sagen zu wollen. Alvan spürte, wie er sie packte,<br />
und zur Kajüte zog. Sie hatte das Dröhnen der Naturgewalten noch im Ohr, als sie <strong>von</strong> einem Wasserschwall in den<br />
kleinen Gang gespült wurde, der zu der Großen Kajüte am Ende und den beiden kleineren am Rand führte.<br />
"Ruh dich erst Mal aus, Leutnant, bevor du mir noch wegschwimmst." Mercurio öffnete die Tür zu Emporios<br />
Gemach. "Bist ja völlig fertig mit der Welt."<br />
Alvan wollte etwas sagen, musste aber Wasser erbrechen. Apathisch nickend, taumelte sie auf ihre Koje zu, wurde<br />
<strong>von</strong> einem erneuten Angriff des Windes mehr hineingeschleudert, als dass sie sich selbst hineinhangelte. Irgendwie<br />
war ihr der Gedanke, dass ausgerechnet der Schwarze Mendener ihr das Leben gerettet hatte, unangenehm. Sie<br />
hatte kaum zu Ende gedacht, da ging ihr Geist auch schon in Borons Reich der Schatten und des Traumes ein.<br />
Es waren unruhige Träume, die sie in der Blutigen See heimsuchten, Träume <strong>von</strong> Schiffen, die sich bei jedem<br />
Atemzug eines tobenden Giganten aus Wasser hoben und senkten, <strong>von</strong> einer Grünen Tiefe und Neckern, die im<br />
azurblauen Licht des Meeres ihre Kreise zogen, <strong>von</strong> den Tentakeln der Ersäuferin, die sie zu sich in das<br />
Nachtschwarze Nichts zu ziehen versuchten, vom Dröhnen und Heulen des Sturms, <strong>von</strong> gurgelndem Wasser und<br />
roh lachenden Piraten, die nach ihr griffen, um sie festzuhalten und .... Sie träumte <strong>von</strong> <strong>Maraskan</strong> und <strong>von</strong> <strong>Gold</strong>,<br />
<strong>von</strong> den Goblins, die sie in der Höhle tief unter der schneebedeckten Heide mit ihren rotbraunen, pelzigen<br />
Gesichtern anstarrten. Merkwürdig, jetzt im Traum kamen sie ihr überhaupt nicht mehr äffisch vor, eher würdevoll,<br />
verschmitzt und auf eigentümliche Weise schön.<br />
Oben dröhnte der Sturm, und Alvan konnte kaum noch unterscheiden, ob nun ein Schneesturm oder gigantische<br />
Wellen über den kleinen dunklen Raum hinwegfegten, in dem sie einsam und allein ausharrte. Tatsächlich, es war<br />
eiskalt, also musste es wohl der Gallysard sein, der sie hier unten heimsuchte. Die Rotpelze beugten sich über sie,<br />
lispelten, zischelten. Oder waren es glitschige, glupschäugige Krakonier, Wesen der Tiefsee, die mit schwabbeligen<br />
Schwimmhäuten betasteten und begrapschten, nach ihr griffen und sie zu sich ins Wasser zu zerren versuchten? Sie<br />
wehrte sich, schrie, schnappte nach Luft, versuchte wieder ans Licht und die Oberfläche zu gelangen.<br />
"Nun wach endlich auf, Alvan." Ein schwarzbärtiges, freundliches Gesicht, das sich über sie beugte. Kein<br />
Krakonier und kein Goblin, sondern ihr Vater, Odilon. Auch wenn der Sturm noch in ihren Ohren rauschte, merkte<br />
sie rasch, dass das Schiff - natürlich, sie befand sich auf einen Schiff im Perlenmeer, der Fran-Horas - sich in einem<br />
ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus auf und ab bewegte. Helles Tageslicht fiel <strong>von</strong> draußen herein, so dass selbst die<br />
fette Ratte, die auf dem umgestürzten Schemel neben ihrem Bett saß und sch putzte, possierlich aussah.<br />
"Drei Tage Schlaf sind genug, findest du nicht?" brummte Odilon und verscheuchte mit einem Tritt den Nager, der<br />
ihn wütend anfauchte, sich aber kampflos trollte. Dann stellte er den Hocker auf und setzte sich.<br />
Alvan stieg aus dem Bett: "Drei Tage?" Dann, noch ungläubiger: "Habe ich wirklich drei Tage geschlafen?"<br />
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