Das Gold von Maraskan - Darpatien
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"Ach ja, müsst Ihr das?" Hesindian lachte hohl auf und zeigte dabei seine an der Spitze verstümmelte Zunge. "Ich<br />
muss meine Vorredner korrigieren" lispelte er dann. "Nicht mit Alvan oder Odilon hat alles angefangen. Dem<br />
Praiospfaffen da verdanken wir unseren kleinen Ausflug aufs Perlenmeer. Hätte der Herr Inquisitionsrat nicht<br />
überall dämonische Einflüsterungen gehört. Also haltet besser euren geifernden Mund, bevor ich mich vergesse!"<br />
"Bevor Ihr Euch vergesst?" Der Praiot verschränkte die Arme. "<strong>Das</strong> habt Ihr bereits getan, mit Euren wüsten<br />
Schmähungen. Gerade <strong>von</strong> einem Mann mit euren Namen hätte ich mehr Verstand erwartet. Aber Hesinde ist eben<br />
nicht nur die Herrin der Weisheit, sondern auch die Herrin aller Schlangen..." Selbfried lachte leise auf, schien ihm<br />
der Seitenhieb auf das leise Zischeln des Magus überall gelungen.<br />
"Lästert noch einmal die Göttin, und zur Abwechslung seid Ihr es, der brennt." Der silberbärtige Magus hob seinen<br />
Stab, als wolle er den Inquisitor damit erschlagen.<br />
Odilon war in die Knie gesunken, Wandelur fiel neben ihm zu Boden. Was hatte er getan, vor allem, was hatte er<br />
gerade geschrieen? <strong>Das</strong> alles durfte einfach nicht wahr sein. Irgendwo über ihm, in der Schwärze der Nacht, wo<br />
nun das Madamal und südliche Sterne prangten, war das Rauschen schwerer Schwingen zu hören. Ein kaltes,<br />
grelles Kreischen, wie <strong>von</strong> einem Geier, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren. Nein, das war kein tierischer<br />
Laut, sondern eine underische Kakophonie voller Hass und Grausamkeit wie aus den tiefsten Niederhöllen, etwas,<br />
was weitaus tiefer ging als nur durch Mark und Bein.<br />
Ein Schatten zog am bleichen Mond vorbei, der aussah wie eine geflügelte Schlange, mit den zerfransten<br />
Lederschwingen einer Flugechse, auf deren Rücken ein gepanzerter Reiter saß. Hatte die Kreatur sie entdeckt?<br />
Einen Augenblick lang hielten sie den Atem an, eine Zeit, in der das grässliche Kreischen in ihren Köpfen<br />
verklang. Dann war das Ungeheuer vorüber, wurde wieder eins mit der Dunkelheit, aus dem es sich binnen weniger<br />
Herzschläge geformt hatte.<br />
Der Grund für ihren Streit war plötzlich vergessen.<br />
"Ein Karakil" flüsterte der Magus in das sanfte Glucksen der Wellen hinein.<br />
"Hat er uns entdeckt?" wollte Alrik wissen.<br />
Hesindian zuckte mit der Schulter. "Groß genug ist der Kutter. Aber der Dämon fliegt in Richtung Festland, und in<br />
ziemlicher Höhe."<br />
Efferjina begann haltlos zu weinen. Dann wurde das Flügelrauschen wieder lauter, kam nun <strong>von</strong> der Seite. Erneut<br />
zeriss das infernalische Kreischen die Ruhe der Nacht. Alvan vernahm einen leichten Schwefelgestank, als das<br />
geflügelte Grauen ein weiteres Mal über sie hinweg strich. Sie glaubte, Schlangenschuppen und einen wallenden<br />
schwarzen Mantel sowie das Blinken einer Rüstung zu sehen, aber vielleicht spielten ihre überreizten Nerven ihr<br />
einfach nur einen Streich. Sigismund sprang hinter dem Mast in Deckung. Odilon griff nach dem Bogen, aber in<br />
diesem Moment war der Schatten auch schon vorüber.<br />
"Jetzt hat er uns gesehen!" meinte Alrik trocken.<br />
"Was machen wir nun?"<br />
"Zumindest sollten wir mal mit dem Streiten und Schlagen aufhören!" meinte Odilon. "Selbfried hat Recht. Wir<br />
sind nicht mehr wir selbst. Hier geht es nicht mehr allein um unser Leben, sondern auch um unser Seelenheil."<br />
"In welche Richtung ist er geflogen?" wollte Selbfried wissen. Einen Augenblick lang zuckte er zusammen, als sich<br />
die Madasichel erneut dunkel färbte, aber es war nur eine Wolke, die sich davor geschoben hatte.<br />
"Richtung Festland" meinte Alrik. "Geradewegs nach Jergan, würde ich sagen. <strong>Das</strong> heißt, der Reiter hat geschnallt,<br />
das mit dem Boot was nicht stimmt und macht demnächst Männchen beim Fürstkomtur."<br />
"Warum hat er uns nicht angegriffen?"<br />
"Nun ja, immerhin sind wir ganz schön viele, und ein Magus, der aufgeregt mit seinem Zauberstab herumfuchtelt,<br />
ist auch dabei. Und so, wie wir hier rumgebrüllt haben, bekommt es wohl selbst ein Dämonenanbeter mit der Angst<br />
zu tun." Alrik grinste. "Ich würde vorschlagen, dass wir an Land steuern und unsere Reise auf der Küstenstraße<br />
fortsetzen. Auf dem Meer sind wir wie auf dem Präsentierteller, wenn unser Flugdämon bei Tagesanbruch<br />
zurückkommt - am Ende noch mit Verstärkung."<br />
Odilon langte sich verwirrt an die Stirn. War der Fluch - all das Schreien, das Drohen, Schlagen und Beleidigen -<br />
tatsächlich so schnell<br />
<strong>von</strong> ihnen abgefallen? Oder bewegte sich das alles knapp unter der Oberfläche, wie die Haie draußen auf dem<br />
Perlenmeer, bereit, jederzeit erneut zuzuschnappen?<br />
"Der Dschungel ist auch gefährlich" meinte Odilon leise. "Zumal bei Nacht. Außerdem wird die Küstenstraße<br />
sicherlich überwacht. Aber ich gebe zu, dass wir gegen einen Karakilangriff noch weniger Chancen hätten. Ein<br />
Brandgeschoss genügt, und hier steht alles in Flammen. Von den Schiffen des Fürstkomturs mal ganz zu<br />
schweigen. Also, stimmen wir darüber ab. Wer ist dafür, dass wir an Land gehen und wer dagegen?"<br />
„Dafür. Ich will runter <strong>von</strong> diesem Boot. An Land fühle ich mich wohler.“ meinte Sigismund. Hesindian nickte<br />
zustimmend.<br />
„Kann mein Schwesterlein eigentlich laufen?“ wollte Alrik wissen.<br />
201