Das Gold von Maraskan - Darpatien

Garethischen Besatzer gewesen, sich zu sehr auf schwer bewaffnete Söldner, zu setzen, die im Kampf Mann gegen
Mann ihre Stärke hatten, zu verlassen. Wirklich ausgebildete Scharfschützen hatten die Soldaten den Göttern sei
dank nicht aufzubieten. Also hatte Odilon es riskieren können, für eine kurze Sekunde seinen Arm mit dem
Metallspiegel in der Hand aus der Luke zu strecken. Wären erfahrene Jäger dort draußen, Nivesen oder Elfen gar,
dann hätte er sich vielleicht von seiner Hand verabschieden können. Aber er hatte Glück gehabt. Die Soldaten
waren Infanteristen, denen man einen Bogen in die Hand gedrückt hatte.
Odilon sprang wieder nach unten und winkte die Gefährten zu sich. „Gut, es sind zwei Soldaten an der Südwand
und drei an der Nordwand. Wir machen einen Ausfall. Wir stürmen zu fünft heraus. Alrijiana und Sturmfejian
gehen nach links. Alrijiana nimmt den hinteren aufs Korn, Sturmfejian den vorderen. Ich gehe mit Selbfried und
Alvan nach links. Alvan visiert mit dem Bogen den vordersten an, Selbfried mit der Armbrust den zweiten und ich
den hintersten Kämpfer. Das Gift auf den Waffen erledigt ja den Rest, auch wenn wir nicht tödlich treffen sollten,
eine kleine Wunde reicht ja aus. Alrik, du greifst Dir die Verwundete, die vor dem Tor döst. Wir können sie
nachher verhören und erfahren vielleicht noch etwas Wichtiges. Sigismund und Gunelde öffnen und schließen das
Tor. Vegsziber, Estibora und Haldorban bleiben an den Luken und schießen, wenn sich jemand zeigt. Für das
ganze haben wir keine zehn Sekunden. Wir geben nur einen Schuss ab, auch wenn er daneben geht. Nachgeladen
wird da draußen nicht. Los geht’s.“
Die Aufgaben waren klar verteilt, insofern gab es keine Rückfragen. Odilons Plan baute darauf, dass sie, um nur
einen Schuss auf den Gegner abzugeben, nicht länger als eine Sekunde im Schussfeld der Feinde sein würden. Auf
der Westseite waren sie ja im Schutz der Kapelle, sie mussten nur für einen Augenblick ins Schussfeld der Feinde
eindringen. Das taten sie aber mit gespannter Waffe, so dass sie keine Zeit verschwenden würden.
Da sie bereits wussten wo ihr Feind stand und der Überraschungsmoment auf ihrer Seite war, würden sie zum
zielen und für die Schussabgabe nur eine Sekunde benötigen, auf die kurze Distanz würde man ein Ziel auch kaum
verfehlen können. Die Soldaten hingegen hatten eine Schrecksekunde zu überwinden, sie schossen aus mindestens
zwanzig Schritt Entfernung und mussten daher genauer zielen. Sie würden, wie Odilon das berechnete, nicht so
schnell reagieren können. Darauf baute sich Odilons Kalkül auf.
Odilon und Selbfried hoben den Schweren Balken, mit dem das Tor verkeilt war, zur Seite. Dann bezogen sie alle
Stellung. Odilon, Selbfried und Alvan stellten sich mit geladenen und gespannten Waffen auf der rechten Seite des
Tores, das Rebellenpärchen – Sturmfejian hatte Odilon das Kommando nicht eine Sekunde streitig gemacht –
führten die Pfeile in das Blasrohr ein und warteten auf der linken Seite. Sigismund und Gunelde schoben den
Riegel zur Seite. Auf Odilons Kopfnicken hin zogen sie mit aller Kraft das schwere Tor auf.
Gleichzeitig stürmten die Rebellen und die Gefährten aus dem Tor. Hier offenbarte sich auch, warum Odilon die
Ziele so verteilt hatte. Odilon, der größte der Gefährten, musste sich am weitesten von der Kapelle entfernen,
Selbfried stand vor ihm und die kleinste Alvan war ganz vorne positioniert. So konnten die jeweils größeren
Schützen hinter ihr ihren Schuss abgeben ohne dass der davor stehende Kämpfer in seinem Schussfeld
eingeschränkt war. Auf der Südseite war Sturmfejian größer als Alrijiana.
Alvan und Odilon schossen nahezu gleichzeitig. Alvans Pfeil traf den vordersten der Soldaten in den Bauch.
Odilons Pfeil prallte am Helm des hintersten Soldaten mit einem laut vernehmbaren Klongk ab. Aber auch wenn
dieser Pfeil nicht saß, die Überraschung war ihnen prächtig gelungen. Der Inquisitor schoss die Armbrust nur eine
halbe Sekunde später ab, traf zunächst den Nasenschutz Helm des Soldaten, glitt aber ab und fuhr in die Wange des
Kämpfers. Das Gift wirkte schnell.
Auf der anderen Seite zeigte sich, dass die Rebellen wahrhafte Meister in der Kampftechnik der blitzartigen
Überraschungen waren. Alrijiana und Sturmfejian schossen ihre Blasrohre ab, hechteten dann zurück in die
Deckung der Kapellmauer, rollten sich dann geschickt ab und waren noch vor den Gefährten wieder in der Kapelle.
Die Soldaten hatten nicht den Hauch einer Chance gegen sie.
Alrik hatte die immer noch schlafende Soldatin gepackt und in die Kapelle geschleift. Jetzt erst hatten sich die
Soldaten von ihrem Schreck erholt. Eine wahre Salve an Pfeilen ging im Eingangsbereich der Kapelle nieder. Es
war ein Glück, dass die Soldaten von ihren Schusspositionen aus die Westseite der Kapelle nicht unter Beschuss
nehmen konnten. Selbfried drehte die Armbrust zur Seite, und ein Pfeil, der ihn sonst getroffen hätte, prallte am
Lauf ab. Hatte der Inquisitor den Pfeil gesehen oder hatte er schlicht Glück gehabt? Mit einem Stoßgebet zu Praios
sprang er zu der Kapelle. Dabei riss er Odilon schier um, der dasselbe Ziel hatte. Der Waldläufer stürzte zu Boden.
Der Soldat, den Odilon verfehlt hatte, hatte sich jetzt endlich von seiner Überraschung erholt. Mit einer fliesenden
Bewegung zog er seinen Dolch aus dem Stiefel und warf ihn. Alvan schrie auf, als der Stahl sich in ihre Wade
bohrte. Selbfried packte die stürzende Alvan am Arm und zog sie mit sich in die Kapelle.
Sigismunds Atem stockte, als er Alvans Verletzung sah. Der Dämon... Belhalhar... er hatte seinen Schutz von ihnen
genommen. Es war, wie der Erzdämon angekündigt hatte. Alvan hatte ihn erhört, war die Seine geworden, aber er
war keinen Pakt mit dem Dämon eingegangen. Nein, seine Seele hatte er nicht opfern wollen. Aber dafür kam jetzt
das Sterben. Sie würden alle sterben. Panik kam in ihm hoch, seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Kaum sah
er, wie Selbfried mit Alvan die Sicherheit der Kapelle erreicht hatten, als er auch schon ohne darüber
nachzudenken und ohne zu realisieren, dass Odilon noch draußen war, das Tor schloss. Instinktiv half Gunelde ihm
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