Das Gold von Maraskan - Darpatien
Das Gold von Maraskan - Darpatien
Das Gold von Maraskan - Darpatien
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
"Meister Selbfried, ich würde vorschlagen, dass Ihr als Wache auf dem Boot zurückbleibt und ein Auge auf Alvan<br />
haltet."<br />
Der Praiosgeweihte nickte knapp und griff dann grimmigen Blickes nach dem Schnitter, der gegen die Reling<br />
lehnte.<br />
Knirschenden Schrittes gingen die drei übriggebliebenen Gefährten über die felsigen Kiesel des Strandes, auf die<br />
Ortschaft zu, die gleich einer Ringmauer <strong>von</strong> Trockengestellen mit Netzen umgeben war. Glücklicherweise, denn<br />
so konnten die Bewohner nicht gleich sehen, wer sich da an ihren Gestaden tummelte.<br />
"Was ist denn das?"<br />
Sigismund wies auf einen glänzenden, durchsichtigen Brocken auf dem Strand, auf den er gerade getreten war. Als<br />
er seinen Stiefel erschrocken zurückzog, war <strong>von</strong> ihm außer einer kleinen Pfütze und einem winzigen grauen<br />
Überrest nichts übriggeblieben. Odilon kniete neben der Lache nieder und tauchte seinen Finger hinein.<br />
"Es ist kalt" meinte er dann. "Wenn ich nicht wüsste, dass wir hier auf <strong>Maraskan</strong> sind, würde ich sagen, es ist Eis -<br />
schmelzendes Eis."<br />
"Wie kommt das denn hierher?" wunderte sich Sigismund. "Da drüben ist noch mehr da<strong>von</strong>..."<br />
Hinter einem größeren Stein lagen tatsächlich mehrere schneeweiße Häuflein - ohne jeden Zweifel Eis, das nun in<br />
der höhersteigenden Sonne rasch dahinschmolz. Odilon machte aus seiner Verwirrung keinen Hehl.<br />
Es war zwar nun auch in <strong>Maraskan</strong> Winter, aber Eisschollen sollte es hier auf dem Meer eigentlich nicht geben.<br />
Nicht, solange ihm die schwüle Seeluft bereits bei der kleinsten Bewegung den Schweiß auf die Stirn trieb. Er war<br />
sich sicher, dass die allermeisten <strong>Maraskan</strong>er außer auf der schneebedeckten <strong>Maraskan</strong>kette nie in ihrem Leben<br />
Firuns kaltes Element zu Gesicht bekamen. Und hier oben gab es nicht einmal Gipfel, die über die Schneegrenze<br />
hinaus ragten.<br />
Was sollte einer der Gipflaker über Gunelde gesagt haben? Sie macht etwas mit dem Wasser...<br />
Odilon sah sich genauer um. Ein paar Krebse liefen über den Strand, während sich einige tote Raubmöwen um<br />
einen toten Fisch balgten.<br />
Schließlich fiel sein Blick auf ein zertrümmertes Fass, das vor einem größeren Felsbrocken im hüfthohen Wasser<br />
dümpelte. Daneben schwamm ein Stück Tau an einem hölzernen Block. Der Waldläufer hob das Seil hoch, dessen<br />
Ende wie mit einem Messer abgeschnitten worden zu sein schien: "Abgerissen ist das nicht. Sieht eher aus wie glatt<br />
durchgeschossen. Da draußen muss vor kurzem ein Seegefecht stattgefunden haben."<br />
Der Baernfarn hob eine Handvoll Eis hoch: "Vielleicht gibt es da<strong>von</strong> noch mehr. Der arme Honjin könnte es<br />
jedenfalls gut gebrauchen, um seine Fische zu kühlen..."<br />
Hesindian war ein Stück weitergegangen: "Dort drüben liegt...Schilf. <strong>Das</strong> wächst hier weit und breit nicht." Zum<br />
Beweis hielt er einige der Pflanzen in die Höhe. "Fässer, Eis und Schilf, und das abgeschossene Tauwerk. <strong>Das</strong><br />
ergibt für mich nur einen Sinn. Vor der Küste muss irgendwo ein Schiff mit einer Ladung Eis versenkt worden<br />
sein. Vermutlich ein bornländischer Kauffahrer..."<br />
Sigismund sah den Magus spöttisch an: "Eis? Wer soll denn mit so was Unnützen Handel treiben?"<br />
"Die Bornländer zum Beispiel... Im Winter haben sie jetzt da<strong>von</strong> genug, und im heißen Süden sind die Reichen<br />
durchaus bereit, einige schöne Dublonen zu bezahlen, um ihren Wein zu kühlen oder es mit Früchten vermischt zu<br />
naschen."<br />
"So ein Blödsinn." Sigismund lächelte ignorant. "Bis das Zeug in Al´Anfa oder Khunchom ist, hat der Herr Praios<br />
ihnen doch längst die ganze Pracht weggeschmolzen."<br />
"Nicht, wenn man genug da<strong>von</strong> in den Laderraum packt, um die Barren sich gegenseitig kühlen zu lassen, und die<br />
Fässer mit Schilf auspolstert. <strong>Das</strong> hält die Hitze fern und unter der Wasserlinie ist es ohnehin schön kühl."<br />
"Und warum liegt das ganze Eis dann nicht auf dem Meeresgrund?"<br />
"Weil es leichter ist als Wasser. Aber vielleicht haben die Piraten das Schiff auch aufgebracht und die Ladung<br />
einfach über Bord geworfen, weil sie damit ebenso wenig anzufangen wussten wie du...Wir werden es wohl nie<br />
erfahren."<br />
"Wie auch immer, wir sind eigentlich hier, um Gunelde zu suchen, nicht, um hier merkwürdiges Strandgut<br />
aufzusammeln." Odilon ging weiter auf Gipflak zu.<br />
<strong>Das</strong> Dorf lag verlassen da, bis auf einen kläffenden Köter war kein lebendes Wesen zu sehen. Ein derber Tritt des<br />
Streuners, dann ergriff der zähnefletschende Tuzakermischling die Flucht in eine Scheune.<br />
Als sie auf dem <strong>von</strong> Langhütten umrahmten Dorfplatz angekommen waren, ließ Odilon seinen Blick schweifen.<br />
Gut möglich, dass die meisten Einwohner jetzt auf den terrassenförmig angelegten Feldern der Umgebung<br />
arbeiteten oder auf die See hinausgefahren waren, um dem Fischfang nachzugehen. Aber irgendwie war diese<br />
gähnende Leere seltsam.<br />
"Da oben sind Menschen!" rief Hesindian schließlich aus und zeigte auf eine der Erdstufen in den Hängen, wo<br />
offenbar Reis oder Shatak angebaut wurden. Und wirklich waren dort einzelne Gestalten in leuchtendbunten<br />
Gewändern zu sehen, die dort irgendeinem Tagwerk nachgingen.<br />
183