Das Gold von Maraskan - Darpatien

schneide ich dir doch noch die Ohren ab..." Eine unwirsche Handbewegung in Richtung des maraskanischen
Jungen, der in einer Ecke kauerte und über eine Kurbel ein eigentümliches Gebilde aus Seilen und Rollen antrieb,
das eine Art Windrad an der Decke bewegte, ein Ventilator, der einen Schwall kühler Luft im Büro des
Kommandanten von Burg Blutstein verteilte. Die Festung thronte auf einem Hügel unweit Nuran über der
Küstenstraße wie dem Dschungel thronte - aber nicht hoch genug, um den schwülen Ausdünstungen des
Regenwaldes und der Mangrovenwälder an der Küste zu entgehen.
"Gut so jetzt. Also..." Brackenburger sah seinen beiden Gegenübern, der Tuzakerin und diesen einarmigen
Piratenkapitän aus Mendena direkt ins Angesicht. "Ihr sucht das Tal der Glühwürmchen und, wie ich vermute, den
Schatz, der dort verborgen sein soll." Erneut ein angedeutetes Glucksen. "Nun schön. Ich verbringe meine Zeit
auch mit vielen sinnlosen Sachen, der Blutsäufer sei mein Zeuge. Verdammt, die Gurvanslilie gehört auch wieder
mal gegossen." Ein Nasebohren und dabei ein Blick zum Fenster, wo vor der halb heruntergelassenen Jalousie
tatsächlich mehrere Töpfe mit exotischen Pflanzen standen. Draußen keckerte der Dschungel. Irgendwo in der
Ferne, in Richtung der Maraskankette grummelte ein Gewitter.
Der Gardehauptmann warf Andromejias Empfehlungsschreiben vor sich auf den eichenen Tisch. "So. Das Tal der
Glühwürmchen. Ja, das gibt es, irgendwo in den Wäldern am Ufer des Hira, auf unserer Seite. Nicht allzu weit von
hier, sind nur ein paar läppische Meilen. Fragt mich nicht, wo genau, bin keiner von den verdammten Alrechs.
Aber ein paar läppische Meilen können im maraskanischen Dschungel soviel bedeuten wie der Weg von hier übers
Eherne Schwert. Oder gleich übers Nirgendmeer. Ja, vielleicht gibt es dort einen Schatz, vielleicht aber auch nicht.
Auf jeden Fall treibt sich dort in der Gegend der Dajin rum, und das bösartige Krabbelzeug aus dem Dschungel
wurde auch schon reichlich gesichtet. Die Rebellen haben in der Gegend unterirdische Lager eingerichtet, die sehen
nicht einmal unsere Karakilreiter, da kann man Hylailer Feuer draufwerfen wie man will. Und der Dajin macht
anders als früher keine Gefangenen mehr, oder besser gesagt, er hält niemanden der Unsrigen lange gefangen."
Der Ventilator surrte und warf bizarre schwarze Schatten in den Raum, der im Licht der südlichen, nun langsam
sinkenden Sonne in einem matten Rot zu glühen schien. Der Hauptmann grapschte in einen Bosparanjerkübel
voller Eis und rieb sich die glitzernden, schon halb dahingeschmolzenen Würfel ins fette Gesicht.
"Bornländischer Geleitzug, vor ein paar Tagen südwestlich Gipflak angegriffen. War `n harter Kampf" grunzte er
in Richtung Mercurio, als müsse dem dieser Einwurf etwas sagen. Dann ließ er einige Würfel in seinen Rum
plätschern, bevor er ihn laut und vernehmlich schlürfte. An der Decke pfiff ein Gecko, machte sich aber rasch aus
dem Staub, als die Tuzakerin ihn mit den Augen suchte.
"Also, noch mal zum Mitschreiben. Da draußen hat der Dajin seine vorgeschobenen Stellungen, genau dort, wo ihr
unbedingt hinwollt. Tal der Glühwürmchen, Tal des Schwarzen Marans, Tuzakmesserberg, Schnitterhügel und
Schlucht der Vier Harnischgürtler, alles ganz üble Gegenden. Von dort aus greifen die verfluchten Käferfresser
hübsch regelmäßig unser Fuhrwerke und Verstärkungen auf der Küstenstraße an, schießen ab und an mal einen
meiner Wachen mit `nem Giftbolzen von der Mauer, ohne dass wir ihnen weiter folgen könnten als ein paar Meilen
in den Dschungel rein. Ihr versteht? Heerbann der Friedlichen Schwestern und so weiter. Friedliche Schwestern. O
Mann, wie ich dieses irre Gequatsche hasse! Ja, und außerdem...gibt es auf der anderen Seite des Flusses da noch
unsere freundlichen Schlangenliebhaber, wirklich nette Nachbarn sind das, o ja." Mit dreckigem Finger versuchte
der Mann den Kragen etwas zu lockern, der aus seinem verschmierten Harnisch herausragte. Dann glotzte er in
Richtung Fenster, dort wo die Maraskankette lag. Er überlegte, ob er noch etwas zu den Schlangenfreunden sagen
wollte, beschloss aber dann, es lieber mit einem Schluck Gebranntem runter zu spülen.
"So, von mir aus könnt ihr mich jetzt in Jergan als Rohalsjünger anschwärzen, aber ich sage Euch, lebend kommt
Ihr nicht zum Tal der Glühwürmchen, nich´ mit eurem armseligen Häufchen. Ihr seid schon tot, bevor ihr den Dajin
überhaupt zu Gesicht kriegt. Rotraupengift ist bei denen heuer groß in Mode. Euer halbes Dutzend Gardisten
erledigen die jedenfalls mit links."
Andromejia wollte bereits antworten, aber es war Mercurio, der seinen Eisenhaken vor dem Kommandanten in den
Tisch hieb. "Nun hör mal zu, du Spaßvogel. Was glaubst du, weswegen wir hier sind. Deine ganze Festung ist
voller Soldaten, sicherlich ein Banner schwerbewaffneter Gardisten. Gib uns noch mal ein Dutzend Kämpfer, dann
sollte dieses versprengte Maraskanergesindel uns überhaupt keine Probleme bereiten, bei allen neunschwänzigen
Katzen zwischen Al´Anfa und Rulat!"
"Kaa-tzen! Kaa-tzen!" echote der struppige Papagei auf der Schulter des Piraten. "Die Pest holt den Rest! Ka-tzen!"
"Halt die Klappe, Shruufschnabel!"
Äußerlich unbeeindruckt erwiderte der Hauptmann den funkelnden Blick des Piraten, dann zog er betont
gleichmütig ein Pergament von dessen kalt glänzenden Handhaken zurück. "Ganz recht, ein ganzes Banner steht
unter meinem Befehl" Der Mann lächelte frostig, während seine blutige Narbe zuckte. "Fast fünfzig Männer und
Frauen blutgieriger Kämpfer. Was würde wohl geschehen, wenn ich nun aufstehen und Euch erschlagen würde,
werter Kapitän... äh... Mercurian? Glaubt Ihr, euer halbes Dutzend Jerganer Soldaten würde auch nur einen Finger
krumm machen, um den Tod eines dahergelaufenen Xeraaniers zu rächen?" Brackenburger entblößte mit nervös
zitternden Lefzen ein paar gelbliche, überraschend spitze Schneidezähne. Rumgeschwängerter Raubtieratem
hauchte den Schwarzen Mendener an, der unwillkürlich seine Prothese aus dem Tisch zog und sich wieder setzte.
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