Das Gold von Maraskan - Darpatien
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die Plattentrümmer. Zum Vorschein kam bräunlicher Dschungelboden, durchzogen <strong>von</strong> dunklem Wurzelwerk. "Ist<br />
es das, was ihr mir unbedingt zeigen wolltet? Was ist das?"<br />
"Die Wurzeln eines Trommelbaums."<br />
"Aber..."<br />
"Ganz recht. <strong>Das</strong> hier ist das Tal des Glühwürmchens, oder besser gesagt dessen äußerstes Ende im Nordwesten."<br />
"Aber der friedwanger Veteran hat uns gesagt, dass sie den Leichnam des Barons rechterhand des Weges nach<br />
Nuran vergraben haben, hinter einem Taleingang, der <strong>von</strong> zwei rabenförmigen Felsen flankiert wird."<br />
"Könntet Ihr Euch nach knapp vierzig Jahren noch einwandfrei erinnern, ob ihr einen Weg nach rechts oder nach<br />
links gegangen seid? Folgt dem Bach in den Dschungel hinein, und ihr werdet zwei Felsblöcke finden, die<br />
tatsächlich wie Raben aussehen. Aber Ihr habt ein klein wenig recht - die meisten Schatzsucher vermuten das Tal<br />
der Glühwürmchen auf der anderen Seite des Hira. Es ist nur das Tal der Schmetterlinge, das sie meinen. Die<br />
beiden sind sich sowohl vom Namen als auch der Form und Ausdehnung her sehr ähnlich." Odilon kratzte sich<br />
verwirrt am Kopf. Doch da war noch etwas. "Guneldes Vision... Darin kam das Meer nicht vor..."<br />
"Vision? Was für eine Vision?"<br />
"Der Grund, warum wir hier sind. Die Perainedienerin, sie hat geträumt, eine Dienerin des Rur und Gror hätte<br />
einen Krug zum Trommelbaum gebracht. Zum Grab ihres Großvaters Alboran, und ihn dort vergraben. Dann sei<br />
sie <strong>von</strong> <strong>Maraskan</strong>federn getötet worden."<br />
"Ja, sie hat recht geträumt. <strong>Das</strong> war Mirajida, meine Gemahlin." Der weißhaarige Mann senkte den Kopf. "Sie hat<br />
die Sira Jerganak regelmäßig mit Shatak und Reise versorgt, die sie im Trommelbaum deponiert. Vor beinahe 25<br />
Jahren ist sie im Dschungel umgekommen. Ihr zum Andenken habe ich diesen Schrein gebaut - über dem Grab des<br />
Barons <strong>von</strong> Friedwang."<br />
"Und das Meer?"<br />
"Die Küste erstreckte sich damals noch in einiger Entfernung <strong>von</strong> hier, einen ganzen Bogenschuss weit in Richtung<br />
des Riffs, und war hinter dichten Gestrüpp und Baumreihen verborgen. Erst die große Sturmflut, einige Jahre,<br />
nachdem meine Frau gestorben ist, hat die Landschaft so verändert, wie wir sie heute sehen. Die Flutwelle hat die<br />
Mangrovenbäume und die Basaltfelsen, die das Tal vom Meer abgetrennt haben, beiseitegefegt, und den<br />
Trommelbaum, der hier stand, gefällt. Möglicherweise war es auch ein Seebeben, so etwas kommt hier vor. Im Jahr<br />
darauf haben wir dann begonnen, einen Schrein zu bauen, um denjenigen zu gedenken, die hier aus dem Buch der<br />
Anwesenden Gestrichenen gestrichen worden sind und den Rebellen einen Ort der zu geben, um die Göttlichen<br />
Geschwister zu ehren. <strong>Das</strong> ist die ganze Geschichte."<br />
"Und der Tempelschatz <strong>von</strong> Jergan? Oder die Kriegskasse des Frumold? Ihr sollt ihn doch vergraben haben?"<br />
"Von einem Schatz im Tal der Glühwürmchen habe ich selbst schon als kleiner Junge gehört, und mein Großvater<br />
und dessen Großvater. Die Herkunft des Schatzes hat sich <strong>von</strong> Generation zu Generation verändert, aber die<br />
Geschichte selbst ist immer gleich geblieben. Ammenmärchen. Es gibt keinen Schatz, außer im Kladj auf dem<br />
Basar <strong>von</strong> Jergan. Es gibt nur die Knochen des Barons, eingehüllt in ein Gewirr aus durch Salzwasser konservierten<br />
Wurzeln, das keine Axt je durchtrennen wird."<br />
Marajin wies auf das Geflecht unter der Bodenplatte. "Seht: Der Baron <strong>von</strong> Friedwang wollte damals <strong>Maraskan</strong><br />
erobern, nun lässt <strong>Maraskan</strong> ihn nicht mehr los."<br />
Odilon senkte den Blick auf das verglimmende Holzscheit, das neben dem Loch im Boden lag. "<strong>Das</strong> heißt, alles<br />
war umsonst, die Strapazen, die Opfer... alles?"<br />
"Wenn man den Umfang der Welt aus einer Wurzelknolle ersehen kann und auch in einer Maraske die Schönheit<br />
der Welt verborgen liegt, glaubt ihr nicht, dass alles einen Sinn hat?"<br />
"Nun werdet Ihr mir sicher gleich erzählen, dass in diesem Fall der Weg das Ziel war, oder eine andere<br />
maraskanische Weisheit vorbringen?" Aber vielleicht ist das alles nur ein Trick, um uns <strong>von</strong> dem eigentlichen Tal<br />
fernzuhalten, dachte Odilon. Andererseits, die schwarzen Wurzeln zu seinen Füßen sprachen eine eindeutige<br />
Sprache. Er spürte, dass dies ein Grab war.<br />
Nein, Marajin sprach die Wahrheit. Denn nun sah er auch den rostigen Schwertgriff zwischen einzelnen<br />
Wurzelsträngen liegen, halb in die Erde eingedrückt. Er nahm in heraus und starrte ihn dumpf brütend an.<br />
"Alles umsonst" rief der Gallyser aus. "Vom ersten Tage an vergebens. Die Reise, die Kämpfe und Sigismunds<br />
Tod..."<br />
"Sigismund ist tot?" fragte eine matte Frauenstimme. Odilon fuhr herum und ließ das rostige Stück Schwert fallen.<br />
Alvan stand im Eingang, mit bleichem Gesicht und blutigem Verband um die Schultern. Ihrem stieren Blick nach<br />
zu urteilen, hatte sie die Maraske neben ihr gar nicht bemerkt.<br />
"Alvan, du solltest nicht aufstehen." Besorgt eilte Odilon auf seine Tochter zu.<br />
"Sigismund ist also tot?" wiederholte sie ihre Frage, mit leise bebender Stimme.<br />
"Ja. Und die Queste war völlig umsonst." Ihr Vater nickte stumm. "<strong>Das</strong> also war das, was Boron bezweckte", sagte<br />
er mit jäher Bitterkeit in der Stimme. "<strong>Das</strong>, was er immer bezweckt. Den Tod. Deswegen hat er Gunelde die Vision<br />
in seinem Tempel geschickt: Um den Tod zu bringen."<br />
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