Das Gold von Maraskan - Darpatien

Valyria, seit ihrer Vermählung mit Deggens Sohn Raul von Baernfarn Baronin zu Gallys, begrüßte den alten
Recken mit einem herzlichen Handschlag. Odilon erwiderte den Gruß freundlich, übersah aber nicht die nicht
gerade freundlichen Blicke, mit denen Valyria und Veneficus sich begegneten.
„Werter Oheim, ich freue mich, dass Du wohlbehalten wieder zurückgekehrt bist von Deiner Reise. Raul hat mir
schon erzählt was euch widerfahren ist.“ Da die verwandtschaftlichen Verhältnisse etwas komplizierter waren in
der Familie Baernfarn, bedingt durch die Adoption seines Neffen Deggen durch Odilon und die Adoption Rauls
durch Deggen, ebenfalls eigentlich der Neffe Deggens, um die Erbfolge zu gewährleisten, hatte es sich
eingebürgert, Odilon schlicht als Oheim anzureden, obwohl er durch die Adoptionen bedingt ja der Großvater
Rauls war.
„Ja, ich freue mich auch, dem alten Gallys mal wieder einen Besuch abstatten zu dürfen. Lange werde ich ohnehin
nicht bleiben können. Der Tag naht, an dem Firun und Praios gleich stark sind, und ich hatte es Jirka ja
versprochen, nach dem Frühlingsfest mit ihr zu ihrer Sippe zu reisen.“
„Ja, Odilon. Dennoch freue ich mich, Dich zu sehen. Aber die wichtigsten Neuigkeiten hast Du ja noch gar nicht
erfahren, was hier in den letzten Monden passiert ist. Ach was, es ist noch genug Zeit heute Abend, um
Geschichten zu erzählen. Aber ein Bote war heute hier. Ein Beilunker Reiter. Ein sonderbarer Kauz. Er schien es
eilig zu haben, denn er führte sechs Pferde mit sich, zusätzlich zu dem auf dem er geritten ist.“
„Ein Bote der Beilunker? Na hoffentlich kommen da keine schlechten Nachrichten aus Rommilys. Die nächste
Steuererhöhung? Oder ein Ruf zum Rapport an den Fürstenhof. Das hätte mir gerade noch gefehlt.“ vermutete
Odilon. „Eine Reise in das Keft der Hofschranzen ist das letzte, was ich gebrauchen kann.“
„Nein, das ist es gewiss nicht. Der Bote sagte, er käme aus Gareth. Hat die sechs Pferde hier lassen wollen. Sagte,
es wäre ein Geschenk für dich.“
„Wer schenkt mir denn schon Pferde?“ Odilon war überrascht. „Ist der Bote noch da?“
„Nein. Er sagte, er müsse noch nach Norden, er war unterwegs nach Markt Friedwang. Offenbar hat man sogar in
Gareth von Eurer Reise Kenntnis genommen.“
„Na gut, dann will ich mal sehen wer aus Gareth sich die Mühe macht, mir zu schreiben.“ Odilon nahm das
Schreiben, das Valyria ihm reichte. „Aha, das Siegel der Praioskirchlichen Inquisition. Das kann dann wohl nur aus
der Feder Seiner Hochwürden Selbfried Rabensang stammen.“ Odilon setzte sich auf die Bank neben dem Kamin
und las.
Gegeben zu Gareth am Ersten des Mondes PHEx
Die Heiligen und Unteilbaren ZWÖlf zum Gruß, PRAios voran!
Werter Baernfarn!
Den Gesetzen der Heiligen PRAioskirchlichen Inquisition folgend sei Euch eröffnet und kund getan, dass die
Heilige Inquisition gegen Euch und Eure Familie routinemäßige Ermittlungen geführt wurden im Rahmen der
Überprüfungen, die in den an die von der Verderbten Macht besetzten Lande angrenzenden Gebieten durchgeführt
wurden.
Es sei Euch hiermit den Gesetzen der Inquisition konform mitgeteilt, dass die Ermittlungen mit
zwölfgöttergefälligem Ergebnis beendet wurden. Es sei also Eure Familie von jedem Verdacht frei gesprochen,
Kontakte zu den Verderbten Feinden der Zwölfgöttlichen Ordnung zu unterhalten. Ein jeder, der sich
diesbezüglichem Gerede hingibt möge sich vor der Gerichtsbarkeit verantworten.
Na, das sind doch einmal gute Nachrichten, dachte Odilon. Er hatte es schon einmal gehört, dass die Inquisition
nach Abschluss ihrer Ermittlungen, soweit es nicht zu einer Verurteilung kommt, der Verdächtigte über das Ende
der Untersuchung in Kenntnis gesetzt wird. Aber das war nur selten der Fall. In den meisten Fällen fand die
Inquisition etwas, wenn sie nach etwas suchte. Odilon blickte wieder auf den Brief und las weiter.
Ebenfalls sei, um der zwölfgöttlichen Weltenordnung gerecht zu werden, in dem Stammbaum Eurer Familie der
Eheschluss des Sigismund von Baernfarn-Helligfarn und der Alvana Scheyhathjida von Baernfarn-Nordenheim am
14. des Firunmondes im 32. Jahr nach Kaiser Hals Thronbesteigung in der Klause Mylendijians, Maraskan,
nachzutragen. Auch unter den bekannten ungewöhnlichen Umständen ist ein beidseitiges Eheversprechen, das auf
geweihtem Boden in Gegenwart eines Priesters geleistet wurde, als bindend anzusehen. Umso mehr, als auch die
282