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Das Gold von Maraskan - Darpatien

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"Sigismund ist tot" flüsterte Alvan. Sie versuchte zu weinen, aber keine Träne entrann ihren Augen. Eine Zeit des<br />

Schweigens verging.<br />

"Kann ich ihn sehen... noch einmal sehen?"<br />

"Ich glaube nicht, dass das gut wäre" murmelte Odilon. Nein, seine Tochter durfte die gräßlichen<br />

Verstümmelungen nicht sehen, die die Flutwelle an Sigismunds Leib hinterlassen hatte.<br />

"Ich kann Euren Schmerz verstehen. Vielleicht ist es nicht ganz so trostlos, wie ihr denkt."<br />

Marajin ging auf den Altarstein aus dunklem Vulkanstein zu. Er betätigte einen geheimen Mechanismus, dann<br />

rollte der Block beiseite. Im Boden kam eine Vertiefung zum Vorschein, in deren Mitte ein nach Zimt duftendem<br />

Kästchen aus irgendeinem Edelholz stand. Der Priester nahm es heraus, öffnete es. Es war mit Samt ausgeschlagen<br />

und enthielt einen ledernen Beutel. Marajin nestelte dessen Bändel auf. Ein in allen regenbogenfarben schillernder<br />

Opal rollte in seine Hände, so groß wie ein Taubenei. Odilon trat näher. Der Stein zeigte das Zeichen der Tsa, auf<br />

irgendeine merkwürdige Weise in den Kristall geschnitten. Sanftes, warmes Regenbogenlicht fiel in den Raum, wie<br />

ein Trost in dunkler Nacht.<br />

"Die Sturmflut hat ihn damals an Land geschleudert" flüsterte Marajin. "Ich vermute, dass er aus einem alten<br />

Echsentempel stammt, der einmal an der Küste gestanden haben und dort untergegangen sein muss. Ich habe ihn<br />

genau auf Alborans Grab gefunden. Merkwürdig, nicht war. Aber so ist es nun einmal auf <strong>Maraskan</strong>. Leben und<br />

Tod sind eins. Vielleicht war es nicht nur Bruder Boron, der euch die Vision gezeigt hat, sondern Schwester Tsa."<br />

"Tsa, Göttin des Lebens." flüsterte Odilon. <strong>Das</strong> warme, freundliche Licht schien stärker zu werden und sich in<br />

ihren Gesichtern zu spiegeln.<br />

"Ganz recht. Sie gemahnt uns daran, dass es keinen wirklichen Tod gibt, sondern einen ewigen Kreis aus Vergehen<br />

und Wiederkehr. Dies gilt auch für Euren toten Gefährten. Der Stein ist ein Zeichen, ebenso wie Euer Erscheinen<br />

ein Zeichen ist. Vielleicht ist es der Wille der Göttin, dass dieses Artefakt in einen ihrer Tempel auf dem Festland<br />

gebracht wird. Ja, ich bin fast sicher, dass Sie Euch die Vision gesandt hat, <strong>von</strong> der ihr sprecht. Denn Leben und<br />

Tod sind eins, Boron und Tsa Geschwister." Odilon nickte. War das Haus Friedwang der Göttin Tsa nicht seit alters<br />

her besonders eng verbunden? Alborans Tochter und deren Sohn trugen sogar deren Namen in den ihrigen.<br />

Hoffnung durchflutete ihn, als er den freundlichen Schimmer des Opals sah. Vielleicht war ihre Reise doch nicht<br />

völlig sinnlos gewesen.<br />

"Meldorjin wird bald nach Khunchom aufbrechen. Wir werden den Stein in den dortigen Tempel der Lebensgöttin<br />

bringen." hörte der Gallyser sich sagen.<br />

Marajin nickte. "Ja, ich glaube, dies ist auch der Wille Rurs." Er steckte das Juwel in den Beutel und legte diesen<br />

wieder in das Kästchen. Mit einem Scharren glitt der Altar wieder zurück und verbarg das Kästchen vor<br />

neugierigen Blicken.<br />

"Die Stunde der Morgendämmerung ist nicht mehr fern" stellte Marajin fest.<br />

"Die Dunkelheit weicht und ein neuer Tag beginnt. Hadert nicht mit Eurem Schicksal. Die Schönheit der Welt und<br />

das Wissen darum ist das wahre <strong>Gold</strong> <strong>von</strong> <strong>Maraskan</strong>."<br />

"Ihr habt sicher Recht. Lasst uns nun gehen." Odilon wandte sich zur Tür. "Alvan, du musst dich wieder hinlegen<br />

und schonen."<br />

Die Halbelfe schüttelte den Kopf. "Lasst mich noch einen Augenblick hier bleiben und beten." Odilon dachte kurz<br />

nach, dann nickte er.<br />

"Ich warte draußen auf dich."<br />

Die beiden Männer gingen und die Edle <strong>von</strong> Nordenheim war allein.<br />

Alvan trat auf den Altar zu, wie betäubt <strong>von</strong> dem, was sie soeben erfahren hatte. Vor dem schwarzen Stein sank sie,<br />

überwältigt <strong>von</strong> körperlichem und seelischem Schmerz zusammen.<br />

Sigismund ist tot. Sigismund ist tot.<br />

Sie konnte es nicht begreifen.<br />

Sigismund ist tot.<br />

Dann begriff sie.<br />

Ich erinnere mich.<br />

Alles ist, als wäre es gestern geschehen. Ich reite die Straße nach Jergan entlang, durch den grünen, dampfenden<br />

Dschungel. Die Haut dampft mit unter dem viel zu schweren Plattenpanzer. Elfenkönig ist erschöpft <strong>von</strong> dem<br />

langen Ritt, er stolpert.<br />

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