Das Gold von Maraskan - Darpatien
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V. Kapitel: In Schwarzen Landen<br />
Angele war auf ihrem Inspektionsgang mehr als angespannt. Der riesige Krake - der Sturm mochte ihn überhaupt<br />
erst in Küstennähe getrieben haben - hatte mit seinen Tentakeln einige Schäden angerichtet. Einige der Spanten und<br />
Planken waren in ihrer Umklammerung wie Rippen gebrochen, das Schiff nahm ordentlich Wasser. Nun, mit Hilfe<br />
der Lenzpumpen wurden sie es hoffentlich bis Zorgan schaffen. Wenn nur das Wetter mitspielte.<br />
Auch im Laderaum blieb sie kurz mit hocherhobener Laterne stehen. Außer nach Rotwein und Getreide roch es<br />
hier auch noch nach schwerem, süßlichen Rum und würzigem Pfeifentabak - offensichtlich hatte auch ein Schiff<br />
aus dem maraskanischen Sinoda zu den letzten Prisen der Fran-Horas gehört (andererseits, sie hätte es einem<br />
xeraanischen Kaperfahrer durchaus auch zugetraut, ein Schiff aus der Fürstkomturei zu kapern).<br />
Angele wollte schon wieder nach oben gehen und Meldung machen, als sie etwas innehalten und stutzen ließ.<br />
Tatsächlich, da war doch etwas. Ein leises Zischeln.<br />
Die Vollmatrosin rieb sich nervös über ihr gestreiftes Hemd und suchte nach der Quelle des Geräuschs. Sie musste<br />
nicht lange suchen. Auf einem Stapel Rumfässer stand eine eisenbeschlagene Kiste, die merkwürdig fehl am Platze<br />
wirkte. Der Deckel war leicht angehoben; Angele hatte keine Mühe ihn zu entfernen. Voller Unschuld, wie ein<br />
Nest dicker, brauner Küken, lagen darin mehrere Tonkugeln, sicherlich ein gutes Dutzend und reckten ihre Lunten<br />
in die Höhe. Hylailer Feuer! Angele war sich beinahe sicher, dass die Brandgeschosse <strong>von</strong> der "Greif" stammten -<br />
in Zeiten wie diesen war es immer ratsam, ein Mittel gegen überderische Geschöpfe an Bord zu haben. Erst jetzt<br />
fiel ihr das merkwürdige Zischen wieder ein.<br />
Erst jetzt sah sie, dass an eine der Schnüre eine längere angeknotet war, schwarz, wie verbrannt. Ein zartes, sanft<br />
zischelndes Flämmchen fraß sich langsam, unendlich langsam den letzten Fingerbreit zur Tonkugel herab, und<br />
verglimmte in einem brenzlig riechenden Rauchwölkchen.<br />
"Efferd sei Dank" dachte Angele und wollte noch hinzufügen: "Die Zündschnur hätte keinen Herzschlag später<br />
verlöschen dürfen", als sie verschiedene Dinge <strong>von</strong> ihrem Gedanken ablenkten.<br />
<strong>Das</strong> eine war der Umstand, dass ihre Gewänder und ihre Haare mit einem mal in hellen Flammen standen. <strong>Das</strong><br />
andere das Gefühl, <strong>von</strong> einer gewaltigen Feuerblase <strong>von</strong> den Füßen gehoben und mit titanischer Urgewalt durch<br />
den Laderaum geschleudert zu werden. Einen Augenblick lang verspürte sie noch einen niederhöllischen Schmerz -<br />
eher wie ein Schreck, der einem durch den ganzen Körper fährt - dann detonierten auch schon die dickbäuchigen<br />
Rumfässer und machten ihrem jungen Leben ein jähes Ende.<br />
Wie gebannt starrte Odilon auf die Fran-Horas, aus deren Rumpf eine einzige, gewaltige Stichflamme in den<br />
nächtlichen Himmel fuhr und die Takelage wie ausgetrocknetes Buschwerk in Brand setzte. Der dumpfe Knall, mit<br />
dem das Feuerwerk einherging, rollte erst mit einiger Verspätung an den Sandstrand.<br />
Odilon hätte es nie im Leben für möglich gehalten, dass ein Schiff einfach so auseinander bersten könnte, aber<br />
genau das war es, was er im Widerschein des Feuers sah. Wie Hesindians brennende Hütte fiel die Fran-Horas<br />
einfach in sich zusammen, ganz so, als wäre die Explosion in ihrem Leib mehr, als sie nach Seegefechten, Sturm<br />
und Meeresungeheuern noch ertragen könnte. Brennende Trümmerstücke der Fran-Horas fielen wie Schweifsterne<br />
vom Himmel, klatschten rauchend ins Wasser. Ein heißes Zischen und Brodeln drang an seine Ohren, dann deckte<br />
sich gnädiger Dampf über das Schauspiel. <strong>Das</strong> letzte, was die Gefährten <strong>von</strong> der einstmals stolzen Schi<strong>von</strong>e sahen,<br />
war ihr Großmast, der wie eine einzige gewaltige Fackel in den Fluten verschwand.<br />
"Wir... wir müssen sie retten!" keuchte einer der Matrosen und sprang in das große Beiboot. Odilon schüttelte den<br />
Kopf und fasste ihn an die Schulter. "Da gibt es nichts mehr zu retten. Hörst du nicht?"<br />
Tatsächlich war die Nacht bis auf das Zischen der Flammen auf dem Perlenmeer und dem höhnischen Rollen der<br />
Brandung still - totenstill.<br />
"Aber es ist doch nicht möglich, dass niemand überlebt hat" stöhnte der andere Matrose und fasste sich<br />
schluchzend an den Kopf.<br />
Tika muss durch die Luke in der Kapitänskajüte in den Laderaum geschlichen sein, dachte Alvan. Deswegen der<br />
letzte, prahlerische Auftritt Mercurios vor dem Achterdeck - alles nur Ablenkung. Sie musste eine besonders<br />
langsam abbrennende Zündschnur genommen haben - die waren kaum zu hören. So was nannte man wohl "auf<br />
Nummer sicher gehen". Die Wucht der Explosion verwunderte sie kaum. Brennende Rumfässer explodierten wie<br />
Hylailer Feuer, und <strong>von</strong> letzterem Dämonenzeug hatte sich vielleicht auch noch einiges im Laderaum befunden.<br />
Die Halbelfe schauderte. Hätte Tika eine kürzere Lunte gewählt, würden sie nun ebenfalls als verkohlte Leichen<br />
auf dem Grund des Perlenmeers liegen.<br />
"Dieses verdammte Miststück!" schrie sie in die Nacht heraus (irgendwie hörte sie sich ein wenig hysterisch an).<br />
Odilon schüttelte den Kopf. "<strong>Das</strong> war nicht Tika. <strong>Das</strong> muss Fisch gewesen sein - er war weder im Beiboot noch bei<br />
den übrig gebliebenen Piraten." Voll ohnmächtiger Wut ballte der Schwarze Bär die gewaltigen Pranken:<br />
"Verdammt, ich habe schon wieder nicht auf diese kleine Ratte geachtet. Es ist meine Schuld."<br />
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