Das Gold von Maraskan - Darpatien

Ein zustimmendes Geheul erklang, dann stürmte die Meute nach oben, im Vorübergehen noch den Säbel des Toten
neben der Treppe an sich reißend. Odilon stürmte voran, wie ein Wirbelwind in die Reihen der Piraten, fegte einen
Richtschützen mit einem einzigen gewaltigen Hieb über Bord. Der nun folgende Kampf war kurz und heftig. Der
Baernfarn musste einen wütenden Axthieb ausweichen, dann sprang ihn einer der Handelsmatrosen bei, der seiner
Gegnerin mit Urgewalt eine steinerne Rotzenkugel auf den Kopf hieb.
Zwei Mittelreicher fielen unter Säbelhieben, einer wurde von einem Armbrustbolzen durchbohrt. Die acht Piraten,
die noch standen, wehrten sich verbissen und musste Mann für Mann, Frau für Frau niedergemacht werden, mit
Belegnägeln, Tauenden, aufgelesenen Klingen. Als letztes gab Odilon seinem Gegner, einen pockennarbigen,
leichenblassen Gassenstrolch, den Todesstoß.
Schwer atmend wandte er sich der Kapitänin zu, die aus einer tiefen Armwunde blutete. Die sah ihn immer noch
verwirrt an. "Wo kommt Ihr plötzlich her. Ich dachte, man hätte Euch auf das Piratenschiff gebracht?"
"Das liegt da drüben. Ich bin herübergeschwommen um Euch zu befreien" Tatsächlich wurde die Greif gerade auf
die Asmodena-Horas zu getrieben, von großen Wellen, die vom offenen Perlenmeer heranschlugen. Heftiger Regen
prasselte herab. Es wurde zunehmend dunkler, windiger. Odilon war sich keineswegs sicher, ob ihnen nicht doch
ein heftiger Sturm bevorstand, auch wenn dieser seinem Empfinden für einen normalen Wetterkreislauf irgendwie
widersprach. Aber das hier war die Blutige See.
"Ich danke Euch. Noch ein Tag in diesem Rattenloch und die ersten von uns wären gestorben."
"Ich weiß sehr gut, wie man sich da unten fühlt. Und Ihr, Ihr seid nicht von den Araniern aufgebracht worden?"
"Nein" Die Kapitänin, eine schwarzhaarige, ein wenig tulamidisch wirkende Frau Anfang 40, schüttelte den Kopf.
"Auch wenn es knapp war. Die Schweine haben einige meiner Leute über Bord geworfen und die anderen an den
Masten festgebunden, so dass die Aranier nicht gewagt haben zu schießen und damit beschäftigt waren, die im
Wasser Treibenden aufzufischen. Und dann ist dieser unheimliche grüne Nebel aufgekommen und hat uns von
unseren Rettern getrennt. "
"Verstehe. Mein Name ist Odilon Wildgrimm. Ich bin...meine Rolle ist ein wenig kompliziert. Ihr könnt mir auf
jeden Fall vertrauen. Meister Selbfried, der Inquisitor ist mittlerweile auf unserer Seite. Er und meine Gefährten
sind an Bord des Piratenschiffes. Wir müssen ihnen helfen. "
"Ihr habt mir und meiner Mannschaft geholfen und dafür bin ich Euch zu dank verpflichtet. Kapitänin Undinai
Darpfanger aus Perricum" Die Kapitänin deutete eine Verneigung an - und sah dann besorgt nach Westen: "Ich
fürchte, da braut sich etwas zusammen. In spätestens einer Stunde haben wir einen fürchterlichen Orkan. Bis
Zorgan werden wir es wohl nicht mehr schaffen. Wir sollten machen, dass wir von Land wegkommen."
Odilon nickte und sah dann zur Schivone hinüber. An Deck war nichts zu sehen, bis auf die Leiche eines Piraten,
der offenbar von einer Rotzenkugel getroffen worden war und nun mit abgerissenem Arm über der Reling hing.
Die Dreckigen hatten in ihrer Panik den eigenen Spießgesellen über den Haufen geschossen... In der Vordertrutz
klaffte ein großes Loch. Sonst waren keine neuen Treffer zu erkennen.
"Da sind noch Piraten drüben. Ich muss meinen Gefährten helfen."
"Nun gut" antwortete Käpitänin Darpfanger. "Jarlan, du übernimmst das Steuer. Gehen wir längsseits."
In diesem Augenblick war ein lautes Krachen aus dem Laderaum zu hören, erst einmal, dann noch einmal,
schließlich regelmäßig.
Odilon zog sein Entermesser und rannte nach unten. Wutbrüllend stand dort ein rotbärtiger Hüne, eine Klappe auf
dem rechten Auge und schlug mit einer Axt gegen die Planken. Sein Zerstörungswerk war bereits fortgeschritten.
Wasser sprühte hervor, erst ein kleiner Nebel, dann eine regelrechte Fontäne. Der Pirat, ein walwütiger (oder
einfach nur irrsinniger) Thorwaler, wie Odilon sofort erkannte, schlug noch einmal zu.
"Wenn wir die Greif nicht bekommen, bekommt sie niemand!" brüllte der Rotbart, während sein zu Zöpfen
geflochtener Bart weithin abstand. "Verstehst du? U-ägga! U-ägga Charyptoroth! U-ägga Hranngar!"
Dann griff der rote Riese an. Odilon wich aus, und der Hieb ging in die Bodenplanke. Der Thorwaler riß die Axt
erneut heraus und versuchte Odilon den Kopf abzuschlagen. Der Gallyser duckte sich weg. Die Axt krachte erneut
in die Stelle, wo bereits das Wasser eindrang. Aus der Fontäne wurde eine Flutwelle. Odilon wollte angreifen, als
sich etwas um seinen Hals schlang. Ein Tentakel aus kaltem, salzigem Wasser.
Der Thorwaler grinste und hob die Axt über den Kopf. Das Ungetüm von einer Waffe surrte herab. Sich selbst
dabei halb erdrosselnd, sprang Odilon mit äußerster Kraftanstrengung zur Seite. Die Axt durchtrennte die
Würgewelle, die sich platschend in eine salzige Lake auflöste.
"Du solltest nicht derart unheilige Namen im Munde führen!" Odilon keuchte, versuchte die gewaltigen Hiebe
seines Gegners zu unterlaufen. Er war es einfach nicht gewohnt, mit einem Entermesser gegen einen derartigen
Riesen zu kämpfen. Dieser schlug mindestens ebenso oft gegen die Bordwand wie auf seinen zwergenhaft
wirkenden Gegner ein, der um seine Füße herumwuselte. Mittlerweile stand das Wasser schon knöcheltief im
Laderaum.
Odilon parierte einen weiteren Hieb, dann zerbrach mit metallischem Klirren sein Entermesser. Der Waldläufer
konnte gerade noch ausweichen, bevor die monströse Barbarenstreitaxt ein Fass aranischen Rotwein zertrümmerte.
Odilon glitt aus, fiel zu Boden. Das brüllende Ungeheuer stand über ihm, hob die Axt - und starrte dann auf den
73