Das Gold von Maraskan - Darpatien
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„Gut. Zuletzt möchte ich noch anmerken, dass für den Tatvorwurf des Verrats und der Kollaboration mit dem<br />
Feind lediglich Odilon in Betracht kommt, da die Angreifer ihm und niemand sonst gefolgt sind.“<br />
„Auch korrekt.“ Meldorjin gab klein bei. „Die Anklage präzisiert ihren Tatvorwurf. Bezüglich des Verrats und der<br />
Kollaboration wird lediglich Odilon beschuldigt. Bedrohung, Piraterie und Mordens betreffend wird nur gegen<br />
Alvan und Alrik Klage erhoben. Gegen Gunelde, Sigismund, Hesindian und Selbfried wird kein Vorwurf erhoben.“<br />
Ein Raunen ging durch die Matrosen. Damit hatte zunächst keiner gerechnet. Aber Meldorjin war ein Mann der<br />
Gerechtigkeit, und die Argumentation Estiboras war schlüssig und folgerichtig. So hatte alles seine Ordnung. <strong>Das</strong>s<br />
Vegsziber <strong>von</strong> der Wendung der Dinge nicht begeistert schien störte Meldorjin wenig. Auch wenn er der Kapitän<br />
war musste er sich dem Gesetz beugen, und Meldorjin wusste, dass er das tun würde. Schließlich war er zwar<br />
Kapitän eines Schmugglerschiffes, aber dennoch dem <strong>Maraskan</strong>ischen Widerstand angehörig und daher einer<br />
gewissen Moral verpflichtet.<br />
Und nicht zuletzt hatte Meldorjin das Gefühl, Alvan schon einmal gesehen zu haben. Er war sich nicht sicher, aber<br />
er glaubte nicht, dass es noch eine zweite Halbelfe gab, die zu Rur und Gror betete. Gut möglich, dass Vegsziber<br />
ihm noch dankbar sein würde, dass er auf diesem Prozess bestanden hatte.<br />
Sigismund und Gunelde atmeten hörbar auf. Sigismund hatte die ganze letzte Nacht Todesängste gelitten und hatte<br />
nicht verstehen können, dass Alvan so ruhig geblieben war. Selbfried ließ sich keine Reaktion anmerken. Aber<br />
innerlich musste er anerkennen, dass diese Ketzer, wofür er sie hielt, zu einer ausgesprochen korrekten<br />
Gerichtsbarkeit in der Lage waren. Natürlich war es gewiss, dass kein ordentliches Gericht der Welt ihm etwas<br />
vorwerfen konnte. Aber hier unter maraskanischen Rebellen ein ordentliches Gericht zu erleben, damit hätte er<br />
nicht gerechnet.<br />
Alvan war anfangs noch ein wenig unsicher gewesen, aber die Verhandlung verlief genau so wie sie es sich<br />
gewünscht hatte, und worauf sie und Estibora spekuliert hatten. Es war wohl ein Glück, dass Estibora Meldorjin gut<br />
kannte. Sie wusste, dass er logischen Argumenten und einer genauen Auslegung der Gesetze zugänglich war. Und<br />
sie wusste, dass Vegsziber Meldorjins Strafempfehlung folgen würde. Vegsziber war schließlich ein Seefahrer und<br />
je nach Ansicht ein Kaufmann oder ein Schmuggler, auf seinen eigenen Vorteil bedacht, aber gewiss kein<br />
gesetzloser Schurke. Also kam es darauf an, Meldorjin zu überzeugen. Und sie tat dies, indem sie zugleich ein<br />
Zugeständnis machte und eine Forderung stellte. Zuerst hatte sie also eingeräumt, dass vorgefallen ist was<br />
zweifellos so geschehen ist, um damit zugleich drei der Garethjas frei zu bekommen. Nun wollte sie mal sehen, ob<br />
sie damit noch ein zweites Mal Erfolg haben würde.<br />
„Wie unschwer zu erkennen ist, ist den drei Beklagten kein bewusstes Handeln vorzuwerfen. Weder hatten Alrik<br />
und Alvan im Sinn, dass Berjina und Egilfrijan Schaden zustößt, noch wollte Odilon seinen Verfolgern absichtlich<br />
unser Versteck zeigen.“<br />
„Unsere Kameraden sind tot! Was hilfts da dass sie es nicht gewollt haben!“ vernahm man den Zwischenruf eines<br />
Matrosen.<br />
„Sehr richtig. Mir ist das bewusst, und ich trauere ebenso wie ihr alle um unsere Kameraden.“ erwiderte Estibora<br />
auf die Unterbrechung. In unserem Gesetz steht daher genau geschrieben, dass ein Mord oder eine Tötung eines<br />
Menschen, auch wenn er fahrlässig geschah, bestraft wird. Genau für diesen Fall wurde der entsprechende Halbsatz<br />
...dies gilt auch, wenn ein Mensch vom Leben zum Tode befördert wird, ohne dass dies mit Willen des Handelnden<br />
geschah, soweit dieser sich der Gefahr seines Handelns bewusst war“<br />
„Recht so!“ „Kielholen!“ vernahm man Rufe aus den Reihen der Matrosen.<br />
„Es ist zugegeben nicht in Zweifel zu ziehen, dass Alvan, als sie das Boot zur Umkehr zwang, nicht nur sich und<br />
ihre Gefährten, sondern auch die im Boot befindlichen Matrosen in Gefahr gebracht hat. Aber in unserem Gesetz<br />
steht ebenso geschrieben, und hier zitiere ich die entsprechende Vorschrift: Wer Geheimnisse verrät, die für das<br />
Wohl des Königreiches <strong>Maraskan</strong> bedeutend sind, wer mit den Feinden des Königreiches zu dessen Nachteil<br />
kooperiert oder wer Interessen einer verfeindeten Macht vertritt wird Kerkerhaft oder mit dem Tode bestraft.“<br />
„Richtig, Hängt ihn.“ rief ein Matrose.<br />
„Ruhe, beim Bruderlosen noch mal!“ donnerte Vegsziber. „Dies ist ein ordentliches Gericht des Königreiches<br />
<strong>Maraskan</strong>! Wer hier noch einmal die Verhandlung stört bekommt drei Tage lang keinen Schnaps zugeteilt!“<br />
Estibora wartete einen Atemzug, ehe sie weitersprach. „Beide Vorschriften entstammen dem gleichen Gesetzbuch,<br />
dem Strafrecht des Königreiches <strong>Maraskan</strong>. Bezüglich des Tötens hat unser geschätzter König – Bruder Boron sei<br />
seine Seele anempfohlen – ausdrücklich festgelegt, dass dies auch für nicht willentliches Handeln gilt. Bezüglich<br />
Verrats ist dies nicht so geschrieben. Warum, frage ich. Doch wohl einzig und allein darum, weil es der Wille des<br />
Königs war, Verrat nur dann zu bestrafen, wenn er willentlich und wissentlich begangen wird.<br />
Im vorliegenden Fall aber bedingte Odilons handeln einzig den Zweck, seinen Verfolgern zu entrinnen und Hilfe<br />
<strong>von</strong> seinen Gefährten zu finden. Daher sage ich, dass nach meinem Dafürhalten kein Verrat gegeben ist. Von den<br />
erhobenen Vorwürfen ist es daher lediglich der Vorwurf gegen Alvan und Alrik wert, vor einem Gericht verhandelt<br />
zu werden. Meldorjin, wenn Du mir zustimmst können wir nun die beiden ins Verhör nehmen.“<br />
Meldorjin dachte nach. Verdammt, er hatte Estibora unterschätzt. Unter diesem Blickwinkel hatte er die beiden<br />
Stellen im Gesetzestext noch nie verglichen. War dem wirklich so, wie Estibora es sagte? Meldorjin blätterte in<br />
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