Das Gold von Maraskan - Darpatien
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denn helfen konnte sie Selbfried ohnehin nicht. Die Edle <strong>von</strong> Nordenheim begab sich zum Bugspriet, um dort das<br />
Tagebuch zu lesen.<br />
<strong>Das</strong> Tagebuch Alboran III. Sigismunds <strong>von</strong> Friedwang<br />
Vorsichtig, beinahe ehrfürchtig nahm Alvan den Oktavband in die Hand. Irgendein kundiger Mensch hatte ihn<br />
sorgfältig in Ölpapier eingewickelt, um das Papier vor den Auswirkungen der südländischen Hitze, vor allem aber<br />
den nagenden Kiefern <strong>Maraskan</strong>s zu schützen. Die Edle <strong>von</strong> Nordenheim schnupperte sacht an dem ätherischen<br />
Zimtduft, der <strong>von</strong> der gelblichbraunen, mattglänzenden und schon reichlich vergilbten Schutzhülle aufstieg.<br />
Tatsächlich, sie war mit einem der Pflanzenöle getränkt, mit dem die <strong>Maraskan</strong>er ihre Häuser und Türme vor<br />
Ungeziefer zu schützen pflegten. Merkwürdig, dass dieser Geruch nach beinahe vier Jahrzehnten noch so deutlich<br />
wahrnehmbar war. Alvan spürte ein anrührendes Gefühl <strong>von</strong> Vertrautheit, fast schon so etwas wie „Heimweh“<br />
nach der Insel im Perlenmeer in sich aufsteigen.<br />
Die Reste eines erst aufgebrochenen und danach größtenteils abgebröckelten Siegels klebten dunkelrot auf dem<br />
Umschlag. Die Halbelfe öffnete ihn und nahm das in feines darpatisches Rindsleder eingebundene Büchlein heraus.<br />
Bis auf einige wenige Spuren <strong>von</strong> Käferfraß war es in einem hervorragenden Zustand, die schätzungsweise rund<br />
fünfzig Seiten aus bestem Honinger Büttenpapier nur leicht verfärbt.<br />
Die Aufzeichnungen setzten im Praios 12 Reto ein, also im sechsten Götterlauf vor Hal - dem Jahr der Eroberung<br />
<strong>Maraskan</strong>s. Schnell wurde Alvan klar, dass sie hier das Tagebuch eines Schmetterlingssammlers vor sich hatte.<br />
Tatsächlich, beinahe auf jeder zweiten Seite hatte der Baron ein bunte Zeichnung <strong>von</strong> einem Tagpfauenauge,<br />
Horasmantel, Bannstrahler, Prachttaumler, Rohalsjünger, Tsafalter oder Rahjalieb hinterlassen, der ihm am<br />
jeweiligen Tag ins Netz gegangen war. Der übrige Inhalt war sehr privater Natur: Auch wenn Alvan pietätvoll<br />
weiterblätterte, bekam sie doch mit, dass Alboran der Streit mit den „lieben Verwandten“ in Gießenborn schwer zu<br />
schaffen machte. Dort saß sein Sohn, der Junker Golo und dessen intrigante Gattin Ludwina, beide offenbar<br />
blutsmäßig miteinander verwandt – die Eltern des jungen Gernot – und intrigierten gegen den Baron. Tatsächlich,<br />
hier wurde Klein-Gernot auch schon erwähnt:<br />
„Insbesondere mein Enkel bereitet mir zunehmend Sorgen. Wie sehr will mein Sohn ihn noch verziehen?<br />
Wenigstens Sangive bietet mir in all dem Kummer Halt, und Tsalinde bewährt sich bei der Verwaltung <strong>von</strong><br />
Nordenheim jeden Tag aufs Neue. Es ist für mich immer eine Freude, auf Gut Belenburg, dem Ort meiner Kindheit<br />
zu weilen. Wie wohlgeordnet und sauber sich hier alles dem Auge darbietet, eine wahre Pracht. Nur der Gallyser<br />
macht hin und wieder Ärger auf der Jargelweide, aber meine Tochter hat zum Glück einen Rondra gefälligen Geist<br />
und versteht es, Weldorn seine Grenzen zu zeigen.<br />
So gibt mir wenigstens meine Tochter Anlass zur Hoffnung, auch wenn sie sich für meinen Geschmack ein wenig zu<br />
oft bei Hofe aufhält. Will sie etwa die Mätresse des Grafen werden? Sicherlich, der junge Herr Answin Garbit ist<br />
eine beeindruckende Gestalt, gutaussehend, beredsam, einflussreich und weltgewandt, ein Landesherr, wie man ihn<br />
sich eigentlich nicht besser wünschen kann und als Berater Seiner Kaiserlichen Majestät eine unverzichtbare<br />
Stütze des wieder erblühten Raulschen Reiches, zudem natürlich auch mein Lehnsherr, dem ich Treue und<br />
Gefolgschaft schulde Dennoch muss ich Sangive Recht geben, die Tsalinde diesbezüglich zu mehr Zurückhaltung<br />
rät Was ein Zuviel an Ehrgeiz anzurichten vermag, das sieht man zur Genüge in Giessenborn. Manchmal will mir<br />
scheinen, dass diesen Rabenmund das Schicksal ein wenig zu weit hinaufgetragen hat, mag auch sein großer<br />
Vorfahr Randolph Kanzler unseres Reiches gewesen sein. Es ist nur so ein Gefühl, das ich wohlweislich für mich<br />
behalte und das vermutlich gar nichts zu bedeuten hat. Ich bin eben ein alter Mann, altmodisch, eifersüchtig und<br />
überbesorgt, wie mir meine Tochter oftmals im Scherz vorwirft, und zerbreche mir vielleicht zu viel den ergrauten<br />
Kopf über Dinge, die das junge Volk jetzt besser unter sich ausmachen sollte. Wer weiß schon, was die Zukunft<br />
bringen wird? Erst gestern hat mir meine Freundin, die Senkenthalerin, das Gerücht erzählt, unser Kaiser wolle<br />
die Königsherrschaft über die Insel <strong>Maraskan</strong> einfordern, der Rechte seiner verstorbenen Gemahlin Rohaja wegen.<br />
In Wehrheim und Rommilys rede man nur noch darüber. Ich mag es nicht recht glauben. <strong>Maraskan</strong>, das liegt doch<br />
irgendwo bei den Heiden, weitab im Osten. Was soll dort schon zu holen sein Eher wird das Reich die Ländereien<br />
südlich Almada zurück erobern, die ja auch einmal Gareth zinspflichtig waren, als ein derart ab gelegenes Eiland<br />
im Perlenmeer.“<br />
Die nächsten Einträge behandeln banale Alltagserlebnisse eines typischen mittelreichischen Barons, erst im<br />
Spätsommer kommt Alboran wieder auf <strong>Maraskan</strong> zu sprechen: „Krieg um <strong>Maraskan</strong>! Am Ende kam die Nachricht<br />
doch überraschend. Ein herrlicher Sommer, die beste Ernte seit zehn Götterläufen und nun das! Die Landwehr hat<br />
ihren Marschbefehl nach Zorgan schon erhalten. Drei Banner soll Friedwang stellen. Was denken die sich da oben<br />
eigentlich? An ein Aufgebot <strong>von</strong> mehr denn hundert Bauern ist beim besten Willen nicht zu denken. Nun denn, es<br />
wird sich ein Weg finden. Befehl ist nun einmal Befehl. Ich weiß nicht recht, was ich <strong>von</strong> der ganzen Sache halten<br />
soll: <strong>Maraskan</strong>! Aber dort hat es derart viele Schmetterlingsarten, dass sich die Sache am Ende doch wieder<br />
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