Das Gold von Maraskan - Darpatien
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„Nein, Gunelde hat Recht. Wir müssen den Priester befreien. Wir würden eine große Schuld auf uns laden, würden<br />
wir es nicht einmal versuchen. Dafür.“ sprach Alrik.<br />
„Gut, also drei gegen drei Stimmen. Dann muss die Münze entscheiden.“ Sigismund holte einen Kaiser-Reto-Taler<br />
aus seiner Börse. „Kopf ist Angriff und Wappen ist Rückzug.“ Sigismund warf die Münze hoch. Odilon griff sie<br />
mit einer flinken Bewegung aus der Luft.<br />
„Nein, Gunelde soll den Taler werfen. Sie als Dienerin Peraines soll unser Schicksal entscheiden. Von Dir weiß,<br />
ich, dass Du eine Münze werfen kannst.“ Odilon reichte Gunelde den Taler. Sigismund sah Odilon mit böse<br />
funkelnden Augen an.<br />
Gunelde warf die Münze (mit einem stummen Gebet, so schien es zumindest) in die Luft und trat dann einen<br />
Schritt zurück.<br />
Bei dem Regen und der Abenddämmerung war zunächst nicht auszumachen, was das matt im Regen glänzende<br />
Silberstück zeigte.<br />
Schließlich sahen sie es: Ein gekröntes Haupt mit dem markanten Kaiser Reto-Bart blickte über den Münzenrand<br />
hinaus in die nun hereinbrechende oronische Nacht.<br />
"Kopf!" stellte Odilon trocken fest und atmete innerlich auf.<br />
Sigismund jaulte leise auf wie ein junger Hund, den ein derber Tritt seines Herrn getroffen hatte, und auch Alvan<br />
sah finster drein. Selbst Alrik schien es gerade zu bereuen, Partei für den Inquisitor ergriffen zu haben. Der Magier<br />
wirkte schicksalsergeben.<br />
"<strong>Das</strong> ist doch Wahnsinn!" schimpfte der Streuner und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. "Dieser Sauhund<br />
wollte uns noch vor ein paar Tagen auf den Scheiterhaufen stellen und jetzt sollen wir uns für ihn abschlachten<br />
lassen. Ich hätte euch für vernünftiger gehalten. Euch alle!"<br />
Herausfordernd musterte er die drei, die für Selbfried Partei ergriffen hatten.<br />
"Keine Widerrede" meinte Odilon streng. "Die Münze hat entschieden und damit wird mein Plan ausgeführt, wie<br />
wir ihn besprochen haben."<br />
"Die Münze... diese verdammte Münze!" Wütend trat Sigismund das Silberstück <strong>von</strong> der Straße. "Ich lass´ mich<br />
doch nicht wegen einem Stück Metall umbringen. Nein, ich mach da nicht mit."<br />
"Aussteigen gilt nicht" Odilon versuchte ruhig zu klingen. "Du selbst hast uns doch das mit der Münze<br />
vorgeschlagen...“<br />
"Ach ja?" Sigismund begann zu schreien. "Der große Herr Odilon Wildgrimm hat uns das alles doch erst<br />
aufgeschwatzt. <strong>Das</strong>s wir den Inquisitor befreien müssen! So ein Unsinn! Der große Herr Odilon Wildgrimm führt<br />
überhaupt immer das große Wort! Aber ich mache nicht mehr mit. Ich will nicht sterben... nicht hier... nicht wegen<br />
dem Inquisitor... Sie werden uns alle umbringen... ich spür´s... ich spür´s einfach! Hört ihr? Abschlachten werden<br />
sie uns!"<br />
Der Baernfarn atmete tief durch. Es war nichts ungewöhnliches, dass Männer auf einer gefahrvollen Queste die<br />
Nerven verloren - aber musste es immer zum völlig falschen Zeitpunkt sein? Oder lag es auch hier am<br />
verderblichen Einfluss der Einen und Einzigen, dass Sigismund ausgerechnet in diesem Moment durchdrehte ?<br />
"Genug jetzt, Sigismund. Wo bleibt deine Ehre als Spieler? Du hast deinen Einsatz gebracht und verloren. Also,<br />
geh auf deinen Posten."<br />
Der Streuner wollte noch etwas sagen, schüttelte dann aber den Kopf und ging einige Schritte zur Seite. Odilon hob<br />
den Taler wieder auf, säuberte ihn und steckte ihn sich in den Dukatenbeutel. Alrik ließ das Fläschchen mit<br />
Schlafgift umhergehen, in das die beiden Schützen ihre Pfeile tauchten, nicht ohne sie zum Schutz gegen den<br />
strömenden Regen mit den Blättern eines Strauchs zu umwickeln, dessen Name der Waldläufer nicht kannte, der<br />
aber einladend am Wegesrand stand.<br />
Die sechs Gefährten verteilten sich. Odilon stellte sich mit Bavhano Bvaith auf den kleinen Hügel und versuchte<br />
eine einigermaßen trockene und sichtgeschützte Stelle zu finden. Eine nasse und schlaffe Sehne konnte er jetzt am<br />
allerwenigsten gebrauchen. Hier, das dichte, beinahe mannshohe und <strong>von</strong> Felsen durchzogene Buschwerk zwischen<br />
einer Gruppe Pinien sah doch schon einmal ganz vielversprechend aus. Hesindian kauerte sich neben ihn. Alvan<br />
kletterte geschickt in die Steineiche und gab ihrem Vater ein Zeichen. Sie hatte doch hoffentlich nicht die Absicht,<br />
tollkühn aufs Kutschendach zu springen - allein um ihren Vater eine kleine Lektion zu erteilen? Odilon wusste,<br />
dass seine Tochter, wenn sie mit irgendetwas nicht vollkommen einverstanden war, sehr eigensinnig werden konnte<br />
- wie Jirka. Vielleicht glaubte sie sich auch etwas beweisen zu müssen, wegen der peinlichen Szene <strong>von</strong> gestern.<br />
Odilon schluckte die jäh in ihm aufsteigende Wut hinunter. Nein, im Grunde war er selbst an allem schuld. Er<br />
hätte auf seine Tochter aufpassen müssen und all diese Nostriaden niemals zulassen dürfen. Um ein Haar hätten sie<br />
seiner Tochter ein Zeichen ins Gesicht gebrannt - er hatte es ja bei den anderen Sklaven in den Gassen <strong>von</strong><br />
Elburum gesehen. Alvan auf ewig verstümmelt - und er wäre dafür verantwortlich gewesen. Odilon fragte sich nur,<br />
warum die verfluchten Oronier ausgerechnet bei ihr auf diese Prozedur verzichtet hatten.<br />
Die Zeit verrann mit dem lauwarmen Regen, der <strong>von</strong> oben herab prasselte. Die härteste Prüfung für den Jäger -<br />
geduldig warten. Hatten die Rotmäntel den Transport am Ende verschoben? Waren sie schon längst<br />
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