25.10.2012 Aufrufe

Das Gold von Maraskan - Darpatien

Das Gold von Maraskan - Darpatien

Das Gold von Maraskan - Darpatien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

was für unheiligen Mächten hatte er es hier zu tun? Es schien ihm, als würde Charyptoroth selbst die Kapelle<br />

vernichten wollen. Odilon mochte es sich nicht ausmalen, was passierte, wenn die Welle das Ufer erreichte und mit<br />

Gewalt über ihn und die Kapelle hereinbrach. Sobald sie die Welle brach würde nichts, was in ihrem Weg war,<br />

bestehen bleiben. Wäre er noch am Ufer, so würde ihn die Welle schlicht packen und seinen Leib an der Wand der<br />

Kapelle zerschmettern. Und selbst wenn er das Glück haben sollte das zu überleben, so würde er benommen am<br />

Boden liegen und den Pfeilen der Söldner ein leichtes Ziel bieten. Herr Efferd, steh´ mir bei.<br />

Eine Welle brach aber erst wenn der Meeresgrund flach wird. Einer Welle entgeht man am besten, indem man<br />

unter ihr hindurch taucht, am Strand entlang fliehen machte wohl keinen Sinn. Efferd, steh mir bei, betete Odilon.<br />

<strong>Das</strong> ist meine einzigste Chance. Wenn ich nur rechtzeitig in das tiefe Wasser komme, am Ende des Steges. Mit<br />

einer fließenden Bewegung warf Odilon Bavhano Bvaith fort und sprang auf. Die Welle hob sich, näherte sich,<br />

langsam zwar aber mit einer ungeheuren Kraft und Gewalt. Bereits jetzt war sie vier Schritt hoch und wuchs noch<br />

weiter.<br />

Odilon begann zu rennen. Er machte sich nicht die Mühe, unter dem Steg entlang zu tauchen, denn soviel Zeit hatte<br />

er nicht. Er rannte den Steg entlang. Es würde nur wenige Sekunden dauern, um die dreißig, vierzig Schritt hinter<br />

sich zu bringen bis zum Ende des Steges. Zu knapp, um den Soldaten Gelegenheit zu geben, auf ihn gezielte<br />

Schüsse abzugeben. So hoffte Odilon zumindest. Odilon rannte, was seine Beine herzugeben vermochten.<br />

Die Hitze in der Kapelle nahm ein kaum mehr erträgliches Ausmaß an. Zwar brannte nur der Dachstuhl – die<br />

hölzernen Möbel hatten Sigismund und Vegsziber rasch aus dem Gefahrenbereich geschafft, und das wenige<br />

herabtropfende Brandöl war mit Sand leicht zu löschen – der größere Teil des Öls war ohne Schaden anzurichten<br />

außen abgeflossen, aber obwohl die Hitze nach oben entweichen konnte fehlte nicht mehr viel, um den Gefährten<br />

in der Kapelle mehr als nur die Haare zu versengen. Aber der Dachstuhl war nicht mehr zu löschen, und es war<br />

wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die brennenden Balken unter ihrer Last einbrechen würden und ein Hagel<br />

aus Dachziegeln auf die Gefährten einschlagen würde.<br />

Aber noch war es nicht so weit. Entschlossen, sich so teuer als irgend möglich zu verkaufen, schossen Sturmfejian<br />

und Alrijiana – wenn sie um den Tod ihres Mitstreiters Haldorban trauerten war ihnen das jedenfalls nicht<br />

anzumerken – aus den Scharten der Südmauer der Kapelle. Sie hatten bemerkt dass einige der Soldaten ob des<br />

Feuers in der Klause zu leichtsinnig geworden waren und sich aus ihrer Deckung erhoben hatten und darauf<br />

lauerten, dass die Rebellen aus der brennenden Kapelle ins Freie flüchteten. Die vergifteten Pfeile der<br />

Dschungelkrieger fanden ihren zielsicher Weg zu den <strong>von</strong> Rüstung unbedeckten Körperpartien zweier Soldaten.<br />

Ein Knarren ging durch das brennende Gebälk. Einige Dachziegel polterten in die Tiefe. Gunelde kümmerte sich<br />

nicht darum. Jetzt ging es erst einmal vor, Alvans Wunde behelfsmäßig zu verbinden.<br />

Brennendes Öl tropfte <strong>von</strong> der Decke herab. Sigismund schrie auf und steckte seine da<strong>von</strong> getroffene Hand in das<br />

Fass mit kühlendem Wasser. „Raus hier!“ schrie Sigismund mit panikerfüllter Miene. „Wir müssen hier raus, sonst<br />

verbrennen wir alle!“<br />

Eine deftige Watsche des Inquisitors brachte den hysterisch schreienden Sigismund zur Ruhe. Selbfried packte den<br />

verdutzt guckenden Helligfarn und tunkte ihn kopfüber bis zum Bauch in das Wasserfass. „<strong>Das</strong> kühlt und<br />

verhindert, dass deine Kleider Feuer fangen“ rief er ihm zu, als er ihn Sekunden später wieder hoch zog. „Und nun<br />

zurück an deine Luke!“ Selbfried stieß Sigismund derb zu der Schießluke, die dieser verlassen hatte. Dann beugte<br />

er sich selbst kopfüber in das Fass, bevor er wieder die Armbrust aufnahm und zu seiner Position sprang. Die Idee<br />

machte Schule, und die Rebellen ebenso wie die restlichen Gefährten nutzten die Möglichkeit, ihre Kleider zu<br />

benässen und sich vor der Hitze notdürftig zu schützen. Alvan seufzte erleichtert auf, als die Hitze für eine kurze<br />

Weile nachließ. Ein Schmerz durchzuckte ihre verletzte Wade. Mit einem Anflug <strong>von</strong> Erschöpfung sank sie nieder<br />

und begann zu beten.<br />

Es geschah selten, dass die Geweihten der Zwillinge beteten. Korrekter wäre es zu sagen, dass die Gläubigen der<br />

Zwillinge der Kraft der Gebete weitaus weniger Bedeutung zumaßen als die Gläubigen der Zwölfgötterkirchen.<br />

Sah man die Garethjas allerorten für guten Fang zu Efferd, für gute Ernte zu Peraine oder für Glück in der Liebe zu<br />

Rahja beten, so wäre derlei Gebetsverhalten für <strong>Maraskan</strong>er undenkbar. Rur hat die Weltenscheibe ja in vollendeter<br />

Perfektion geschaffen. Eine bessere Welt als die Existierende war nicht denkbar. Schließlich hatte Rur alle Dinge,<br />

aus denen die Welt bestand, so erschaffen, dass sie die Bestmögliche aller denkbaren Schöpfungen war. Auch die<br />

Makel, die Rur der Weltenscheibe mit auf den Weg zu Gror gegeben hat, waren so gestaltet, dass sie zwar dem<br />

einzelnen Schicksal übel mitspielen mochten, aber der gesamten Schönheit der Welt dienlich waren oder aber sie<br />

auf eben diese Weise geringstmöglichst schädigten. Rur hat einen schönen Weltendiskus erschaffen. Es mochte<br />

sein, dass der Mensch es in seiner beschränkten Wahrnehmung nicht erfassen konnte, warum etwas der Schönheit<br />

der Welt dienlich war. Aber es bestand an der Tatsache selbst kein Zweifel. Da es aber keine bessere Möglichkeit<br />

der existierenden Welt gab als die bestehende Welt war es völlig zwecklos, für eine bessere Welt zu beten. Im<br />

Gegenteil, eben dies zu tun hieße die Vollkommenheit der Schöpfung Rurs in Frage zu stellen. Aus eben diesem<br />

Grund sah man <strong>Maraskan</strong>er nicht zu den Zwillingen beten.<br />

238

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!