Das Gold von Maraskan - Darpatien
Das Gold von Maraskan - Darpatien
Das Gold von Maraskan - Darpatien
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„Mag sein. Ich würde es Undinai auch nicht vorwerfen, wenn dem so wäre. Es ist mehr. Es ist... verstehst Du, mich<br />
überkam ebenfalls ein plötzliches Verlangen. Ich meine, ich habe so etwas noch nie erlebt, weil ich mich außer<br />
nach Jirka nie nach einer anderen Frau gesehnt habe. In all den dreißig Jahren nicht. Und jetzt... Ich habe mir ganz<br />
fest Jirkas Gesicht vor meinem geistigen Auge vorstellen müssen, sonst wären wir in irgendeinem Schuppen<br />
übereinander hergefallen. Weißt Du wie sehr mich das beunruhigt? Ich hätte mich beinahe nicht unter Kontrolle<br />
gehabt.<br />
Weißt Du, Gunelde, was ich befürchte? Ich habe Angst, dass die Versuchung der Verderbten nach uns greift. Auf<br />
der Blutigen See, weißt Du, nach all den Gefechten hatte ich einen so unbändigen und an mir nie gekannten Hass<br />
entwickelt auf die Piraten, dass ich sie ohne Gnade getötet hätte, und vermutlich hätte ich dabei auch noch Freude<br />
empfunden. An sich nichts Bedenkliches, auf den ersten Blick. Ich habe in vielen Gefechten schon viele Menschen<br />
getötet, das bringt eine gewisse Härte mit sich. Aber ich habe noch nie zuvor einen solchen Hass gespürt.“<br />
„Nach dem was sie Deiner Tochter angetan haben ist das aber verständlich. Du brauchst Dir deshalb keine<br />
Vorwürfe machen.“<br />
„Gunelde, ich mache mir keine Vorwürfe. Ich mache mir Sorgen. Sieh Dir Alvan an. Ich weiß dass sie gerne feiert,<br />
singt und tanzt, und auch schon mal eine Affäre hat. Aber ich habe sie noch nie so betrunken gesehen wie heute.“<br />
„Alvan hat eine alte Freundin wieder getroffen, das feiert sie eben besonders ausgelassen.“<br />
„Ja, diese Erklärung drängt sich mir auch auf. Aber auch das ist es nicht allein. Denk an Sigismund. Der Kerl ist ein<br />
Schürzenjäger, eigentlich auch nichts Ungewöhnliches, dass er Alrike umgarnt. Die Matrosin ist hübsch, etwas naiv<br />
und wird ihm sicher bald verfallen sein, ich hab ja gesehen mit welcher Bewunderung sie meinen weltgewandt<br />
auftretenden Verwandten anschaut. Trotzdem, er weiß, dass wir hier aufpassen müssen, wir sind in einem<br />
feindlichen Land! Nein, ich will auch Sigismund keinen Vorwurf machen, eigentlich verhält er sich wirklich<br />
normal. Weitaus normaler als zuvor, als er nur Augen für meine Tochter hatte. Und ich bin froh, dass er sich nun<br />
auf Alrike einlässt anstatt sich mit einer oronischen Frau zu vergnügen. Aber, Gunelde, das ist meine eigentliche<br />
Befürchtung. Denkst Du, dass die unheiligen Präsenzen, die dieses Land beherrschen, unseren Verstand<br />
beeinflussen? Meine Gefühlskälte und mein Hass in der charyptischen See, nunmehr das Verlangen nach Rausch<br />
und Ekstase, die wir hier deutlich verspüren – hast Du den Blick bemerkt, mit dem Dein Bruder Dich vorhin<br />
angeschaut hat? Fast möchte ich meinen, dass er Dich begehrt. Dies ist das Zentrum des Belkelelkultes, ist es nicht<br />
wahrscheinlich, dass diese böse dämonische Präsenz ihre Wirkung auf uns zeigt?“<br />
Gunelde schwieg. Dann nickte sie. „Es wäre möglich. Es gibt hierüber keine gesicherten Erkenntnisse, zumindest<br />
sind mir keine bekannt. Aber es ist denkbar. Jede der erzdämonischen Wesenheiten beeinflusst ihr Umfeld. An den<br />
Pflanzen und Tieren ist das deutlich zu erkennen, denk nur was jetzt auf <strong>Maraskan</strong> wachsen soll, und was für Tiere<br />
die Blutige See bevölkern. Ja, es ist denkbar, dass auch unser Verstand da<strong>von</strong> beeinflusst wird. Aber das ist eine<br />
Hypothese ohne Beweis.“<br />
„Auf alle Fälle müssen wir vorsichtig sein. Vielleicht fällt es uns leichter, jetzt, wo wir um die Gefahr wissen. Aber<br />
wir müssen ein Auge auf die anderen haben. Wir müssen sie warnen. Und wir müssen aufpassen, dass der Magus<br />
nicht wieder zur Flasche greift, ich bin froh, dass er halbwegs entwöhnt ist.“<br />
Alvan starrte auf die Zedrakke, die auf dem Bug den Namen "Harnischgürtler" trug, nicht "Harnischträger" wie<br />
Odilon irrtümlich gemeint hatte - ersteres war der Name einer maraskanischen Echse mit einer Art<br />
Schildkrötenpanzer, die Jahrhunderte alt werden konnte, letzteres die Bezeichnung für einen mittelreichischen<br />
Käfer - da hatte ihr Vater wohl beim Gedanken an die Käferinsel einfach etwas durcheinandergeworfen.<br />
Beschwingt vom vielen Schnaps und Bier, lächelte die Halbelfe hochmütig über ihren Vater und seine Ansichten,<br />
die ihr irgendwie altbacken und provinziell vorkamen. Sein tadelnder, ja beinahe schon spießbürgerlicher Blick, als<br />
sie mit Ruramid die Treppe hinaufgetorkelt kam... Als ob sie, die sicherlich mindestens ebenso viel <strong>von</strong> der Welt<br />
gesehen hatte als er in ihrem Alter, noch immer ein kleines dummes Mädchen wäre, die ständig beschützt werden<br />
musste. Stiller Ärger kam in ihr hoch, ebenso wie ein Rülpser <strong>von</strong> ihrem mit Bier gefüllten Magen.<br />
Leicht schwankend sah sie zu Sigismund, der in hohem Bogen sein Wasser in das Hafenbecken abschlug. "Ja, also,<br />
wir beide machen uns dann mal vom Acker" verkündete der Streuner und hängte seinen Arm um Alrike, die<br />
betrunken (oder lüstern?) grinsend, neben ihm hing. Mit einem mal musste Alvan mit der Eifersucht kämpfen, vor<br />
allem, als sie sah, wie der "Kavalier" seine Beute einfach in die nächste Ecke drängte und sich mit eindeutiger<br />
Absicht an ihr zu schaffen machte wie ein Straßenköter, der ein williges Weibchen gefunden hatte.<br />
"Komm mit, Alvana" Ruramid, die dies alles nicht mitbekommen hatte oder mitbekommen wollte, zog ihre<br />
Gefährtin am Ärmel. "Wir sollten hier nicht versauern. Gehn wir noch mal rüber aufs Festland, dieses Elburial ist<br />
kein guter Ort, um fröhlich zu sein."<br />
Alvan wollte antworten, dass Elburum an sich überhaupt kein guter Ort sei, um zu feiern, stolperte stattdessen aber<br />
klaglos einige Schritte hinter ihrer Bruderschwester hinterher. "Jetz´ noch nach Schi´babil? Is´das nich ein bisschen<br />
gefäh´lich? Ausse´dem ham wir keine Blutrosen mehr. Sin alle verwelkt." Um ein Haar hätte sie bei diesem<br />
Gedanken lauthals losgeweint. Die schönen, schwarzen Rosen, einfach verwelkt!!!<br />
116