25.10.2012 Aufrufe

Das Gold von Maraskan - Darpatien

Das Gold von Maraskan - Darpatien

Das Gold von Maraskan - Darpatien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Brevier sorgfältig im Schnee zu reinigen und ihrem Büchlein wieder beizufügen. Amanda und Missila hüllten sich<br />

wieder in ihre Umhänge, und Damian zog sich wieder seine Wollmütze über. Zu den Goblins gewandt sagte Alvan:<br />

"Ihr habt eine Geweihte überfallen. Nach Recht und Gesetz würdet ihr daher eine harte Strafe verdienen. Aber um<br />

des Friedens willen werde ich <strong>von</strong> einer Bestrafung absehen. Lediglich Eure Waffen werde ich einbehalten, damit<br />

ihr damit keinen friedlichen Bauern mehr bedroht oder ausraubt!" Dann setzte sie sich an die Spitze der Gruppe<br />

und führte sie ins Freie.<br />

Der Rückmarsch zum Gut gestaltete sich etwas einfacher als der Hinweg, da sie den mörderisch dahinfetzenden<br />

Schnee statt in den Augen nun im Rücken hatten, und sich nicht mehr mit aller Gewalt gegen ihn stemmen<br />

mussten. Alvan hatte sich die Schneeschuhe eines der Goblins "geborgt", ebenso wie die Therbûnitin. Da sie kein<br />

Licht mehr hatten und sich Alvan nicht schon wieder in der Richtung irren wollte - tatsächlich schwenkten die<br />

Böen mal nach Osten, dann wieder nach Westen - , liefen sie im Schutz der Bäume am Waldrand entlang, wo der<br />

Sturm weniger Kraft entfalten konnte als auf offener Heide. Der Höhleneingang hatte versteckt unter den Wurzeln<br />

einer alten Eiche gelegen - es war ein kleines Wunder, dass ihn Missila so schnell gefunden hatte. Aber vielleicht<br />

war ihr Gott heute Nacht auch einfach näher als sonst...<br />

Es dauerte eine Weile, bis sie den zugefrorenen Jargel erreichten - offenkundig waren sie doch weiter <strong>von</strong><br />

Nordenheim entfernt, als sie gedacht hatte. Angestrengt hielt Alvan nach dem Leuchtfeuer Ausschau. Tatsächlich,<br />

dort drüben flackerte ein unruhiges Licht wie die Flamme eines Leuchtturms inmitten des Zorns der Elemente. Mit<br />

dem Jargel als Landmarke neben sich, stapfte die Gruppe auf den Hof zu, während nebliger Eishauch auch um ihre<br />

Beine fegte. Irgendwann taumelten die sechs, abgefroren und halb blind vor Schnee, Eiskrusten und<br />

Schneekristallen in Haaren und Gesicht, in das Haupthaus, wo sie <strong>von</strong> der aufgeregten Dienerschaft sowie dem<br />

jungen Alwin bereits überglücklich mit Decken und heißen Getränken empfangen wurden.<br />

Es dauerte eine Weile, bis Alvan wieder soweit bei Kräften war, dass sie sich nach Sigismund erkundigen konnte.<br />

Eingehüllt in eine warme Decke, einen heißen Tee in der noch immer zitternden Rechten, vernahm sie, dass ihr<br />

Verehrer in sein Gemach gegangen war, wo er vermutlich schlief - offenkundig war es ihm oben auf dem Turm<br />

schließlich doch zu kalt und zu windig geworden. Die Edle war viel zu erschöpft, um groß einen Gedanken darüber<br />

zu verlieren - sollte Sigismund doch machen, was er wollte.<br />

Die Therbûnitin taute nun buchstäblich etwas auf, streckte ihre langsam wieder aus der Eisstarre erwachenden<br />

Glieder und überprüfte ihre Zehen. "Viel hätte nicht mehr gefehlt" gab sie sich selbst eine Antwort und stöhnte vor<br />

Schmerz. "Mit dem Abfrieren, meine ich. Solange man sie noch spürt, ist alles in Ordnung".<br />

"So gesehen geht es meinen Füßen ebenfalls ausgezeichnet." ächzte die Baernfarn. Mit einigen kurzen<br />

Dankesworten verabschiedete sie die Nordenheimer, die sich ebenfalls am Feuer und Heidelbeerwein gewärmt<br />

hatten. Für eine lange Rede fehlte ihr der rechte Sinn, sie würde den wackeren Trupp bei nächster Gelegenheit noch<br />

einmal ausgiebig belobigen müssen.<br />

Draußen orgelte noch immer der Sturm, aber hier, in der warmen großen Halle, trug das gedämpfte Geräusch fast<br />

schon zu Alvans Behagen bei. Allzu spät konnte es noch nicht sein - infolge des Sturms war es schon am späten<br />

Nachmittag stockfinster geworden, und laut Helmes Schätzung hatte ihre Suche insgesamt nicht mehr als zwei oder<br />

drei Stunden in Anspruch genommen. <strong>Das</strong> bedeutete, dass es gerade einmal um die zweite Phexstunde herum sein<br />

müsste, auch wenn sich Alvan fühlte, als wäre Mitternacht schon lange vorüber. Noch immer brauste der Sturm in<br />

ihrem Kopf - ein Gefühl, dass sie bereits <strong>von</strong> den Orkanen des Perlenmeers kannte.<br />

"Nun denn. Ich muss mich bei Euch bedanken. Ihr habt all diese Strapazen auf Euch genommen, um mir zu helfen.<br />

Wenn ich mich irgendwie erkenntlich zeigen kann... <strong>Das</strong> Mindeste ist, dass ich Euch <strong>von</strong> nun an in die Gebete an<br />

die Milde Herrin mit einbeziehen kann. Was macht eigentlich die Wunde?"<br />

"O danke, Ihr habt sie bereits vorzüglich verarztet. Diesbezüglich hat mir die Kälte sogar gut getan, der Schnitt hat<br />

auf dem Rückweg kaum noch geblutet..." Alvan schüttete noch einige Tropfen Rum in ihren Tee. "Aber reden wir<br />

heute nicht mehr <strong>von</strong> Kälte. Wir haben uns in der Höhle über <strong>Maraskan</strong> unterhalten... im Shikanydad ist es jetzt<br />

schön warm..."<br />

Die Edle gähnte genüsslich. Sentimentale Sinneseindrücke <strong>von</strong> der Käferinsel stiegen in ihr auf, exotische,<br />

sinnenverwirrende Düfte, Bilder <strong>von</strong> turmähnlichen Häusern mit papierenen Schiebetüren, braunhäutige Menschen<br />

in buntschillernden Trachten, die schwarzen Haare zu den phantasievollsten Frisuren hoch gesteckt, das muntere<br />

Geplapper des Kladj, auf jenem eigentümlich maraskanischen Kauderwelsch aus Tulamidya und Garethi, dem sie<br />

so gerne lauschte. Erst nach einer Weile wurde Alvan wieder schmerzhaft bewusst, dass es diese Welt nicht mehr<br />

gab, zumindest nicht mehr, wie sie früher einmal gewesen war. Auch diese Insel hatten die Dreckigen aus einem<br />

Hort eigenwilliger Schönheit in einen Abgrund niederhöllischer Schrecken verwandelt, das gehörte sicherlich nicht<br />

zu Rurs göttlichem Plan. Dieser bruderlose Abschaum!<br />

Auch wenn <strong>Maraskan</strong>er dem sterblichen Leib wenig Aufmerksamkeit angedeihen ließen - darin waren sie den<br />

Elfen ähnlich - konnte sie Gunelde verstehen: Für sie, die nicht an die Wiedergeburt glaubte, musste es eine<br />

entsetzliche Vorstellung sein, dass alles, was derisch <strong>von</strong> ihrem Großvater übrig geblieben war, nun in verfluchter<br />

12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!