Das Gold von Maraskan - Darpatien
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Geweihten war ihr gar nicht bewusst geworden, wie erschöpft sie war, wie sehr sie der Marsch durch die Kälte<br />
angestrengt hatte. Sie war nicht wirklich müde, sie würde wohl lange nicht einschlafen können, so sehr beschäftigte<br />
sie der Gedanke, die Käferinsel wiederzusehen. Aber ihre Beine schmerzten ob der vollbrachten Anstrengung.<br />
Ohne sich auszukleiden ließ sie sich in ihr Bett fallen und schloss die Augen.<br />
Sanfte Hände berührten sie an ihren Schultern. Ein wohliges Gefühl durchströmte ihren Körper. Die zarten Hände<br />
ihres Vetters verstanden es, einen überanstrengten Körper belebend zu massieren. Alvan genoss es schweigend, wie<br />
ihr Körper wohltuend <strong>von</strong> Sigismund bearbeitet wurde.<br />
„Ich habe gehört, was Du mit der Geweihten besprochen hast. Ein wagemutiges Unternehmen.“ Alvan wollte<br />
auffahren, aber mit einem sanften Druck seiner Hände überzeugte Sigismund sie, dass sie jetzt lieber verwöhnt<br />
werden wollte und lauschte daher ohne Widerworte den Ausführungen ihres Vetters. „Ich habe nicht gelauscht. Der<br />
Kamin im Saal und der in diesem Raum sind verbunden, wie du weißt. Ich bin erwacht, als ihr unten gesprochen<br />
habt. Es war nicht möglich, nichts zu hören.“ Alvan erwiderte nichts. Es war egal, was Sigismund gehört hatte, da<br />
sie es ihm ohnehin erzählt hätte. Die Hände Sigismunds tasteten mit vorsichtigem, aber beständigem Druck die<br />
Rippen des mageren Körpers der Edlen ab. Sigismund erspürte die Verspannungen an den Schultern und Rippen<br />
Alvans.<br />
„Du hattest wohl einen Grund, das Gespräch abzubrechen, als Gunelde auf die Route zu sprechen kam. Nein,<br />
antworte nicht. Ich weiß, du musst dir noch über den besten Weg klar werden und die Gefahren der verschiedenen<br />
Möglichkeiten überdenken. Und doch meine ich, dass du dich schon für einen bestimmten Weg entschieden hast.“<br />
„Na wenn schon. Was kümmert´s Dich, auf welchem Weg ich die Priesterin auf die Insel zu führen gedenke.“<br />
Alvan reagierte unwirsch, aber zugleich spannte sie ihre Rückenmuskeln an und zeigte Sigismund damit, dass er<br />
nicht aufhören solle, sie zu massieren.<br />
„Vielleicht ist´s der Geweihten nicht egal, auf welchem Weg du sie führst. <strong>Das</strong> du nicht über Khunchom reisen<br />
willst, ist deutlich zu erkennen gewesen. Ich kenne Dich mittlerweile besser als du denkst.“<br />
Sigismund hat zweifellos Recht, dachte Alvan. Der Weg über Khunchom und Sinoda erschien ihr nicht als der<br />
ideale. Und das nicht nur, weil er der längste aller möglichen Wege war.<br />
„Lass mich raten. Über Khunchom und Sinoda ist der Weg viel zu lang. Und der Weg <strong>von</strong> Sinoda nach Jergan<br />
durch den maraskanischen Dschungel und durch vom Feind besetzte Gebiete sind ein so großes Risiko, dass man<br />
auch den direkten Weg nehmen kann über die Blutige See.“<br />
Falsch, dachte Alvan, aber sie erwiderte nichts. Aber nicht völlig falsch. Tatsächlich schätzte sie den Landweg<br />
durch <strong>Maraskan</strong> nach Norden als gefährlich ein. Vor allem aber war zu bedenken, dass vermutlich jeder, der vom<br />
Raulschen Reich aus nach <strong>Maraskan</strong> will, diesen Weg wählen würde. Eben deswegen würden die<br />
schwarzmaraskanischen Besatzer damit rechnen und dementsprechend häufig würden im Grenzbereich Patrouillen<br />
unterwegs sein. Ganz zu schweigen da<strong>von</strong>, dass sie nicht wusste, ob sich dort nicht sogar Armeeteile <strong>von</strong> Schwarz-<br />
und Weißmaraskan gegenüberstanden. Nein, das war in ihren Augen mit Sicherheit ein gefährlicher Weg mit<br />
unvorhersehbaren Risiken. Mal abgesehen da<strong>von</strong>, dass eine Reise durch den Dschungel <strong>Maraskan</strong>s auch vor der<br />
Eroberung durch Helme Haffax und seine Schergen zahlreiche Gefahren bereithielt. Manchmal war es klüger, nicht<br />
den augenscheinlich leichtesten Weg zu nehmen, sondern den, bei dem der Feind nicht damit rechnete, weil er sich<br />
dort als am besten gerüstet und gewappnet glaubt.<br />
Sigismund hatte das Kleid Alvans aufgeschnürt, wohl nicht nur um die Halbelfe besser massieren zu können. Noch<br />
immer strichen seine Hände sanft und wohltuend über ihren Rücken. „Es ist wie beim Kartenspiel. Ein guter<br />
Spieler ahnt, was sein Gegner <strong>von</strong> ihm erwartet. So kann er im entscheidenden Moment anders handeln als es der<br />
andere Spieler vermutet und damit das ganze Spiel seinen Wünschen entsprechend verlaufen lassen. Du meinst,<br />
dass die Schwarzmaraskaner am ehesten mit Scharmützeln mit den Bewaffneten Sinodas rechnen und<br />
dementsprechend dort am wachsamsten agieren werden. Hingegen dürfte Haffax am wenigsten damit rechnen, dass<br />
eine kleine Truppe auf direktem Weg in sein Reich vorstößt. Von mittelreichischem oder aranischem Boden<br />
erwartete Haffax derzeit wohl keinen Vorstoß, da sich die genannten Länder zuallererst Schwarztobrien und Oron<br />
widmeten.“<br />
„Mag sein. Mag auch nicht sein. Es dürfte nicht dein Problem sein, welchen Weg ich wähle.“ Alvan wollte ihrem<br />
Vetter gegenüber nicht zugeben, dass dieser sie richtig einschätzte. Aber zumindest erahnte er nicht, dass sie bereits<br />
konkret wusste, wo sie ein Schiff nach <strong>Maraskan</strong> finden würde und wer ihr dabei behilflich sein würde.<br />
Sigismund war <strong>von</strong> seinen massierenden zu streichelnden Bewegungen übergegangen. Seine Finger umspielten<br />
ihre Schultern und ihren Nacken. Sigismund wusste genau, welche Berührungen der Halbelfe gefielen.<br />
„Welchen Weg auch immer du wählst, du brauchst nicht nur bewaffneten Geleitschutz. Du brauchst jemanden mit<br />
Erfahrung im Umgang mit Menschen, der in den Gassen der Städte am Wegesrand weniger auffällt als eine<br />
Geweihte und eine Halbelfe. Jemanden, der sich ungesehen und unbemerkt nach Informationen erkundigen kann.<br />
Ich werde Dich daher begleiten.“<br />
Alvan wollte auffahren, aber die Hände Sigismunds strichen so sanft seitlich über ihre Brüste, dass sie beschloß, zu<br />
einem anderen Zeitpunkt gegen die Begleitung Sigismunds zu protestieren. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen.<br />
„Du kannst morgen Gunelde um ihre Meinung fragen. Wenn sie deiner Begleitung zustimmt, soll´s mir recht sein.“<br />
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