Das Gold von Maraskan - Darpatien
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„Es ist in <strong>Maraskan</strong> überliefertes Recht, dass ein Urteil, das ein weltliches Gericht über eine Priesterin der<br />
Zwillinge spricht, vor der Vollstreckung <strong>von</strong> der Priesterschaft bestätigt wird. Ich bin auf meiner zweiten Reise<br />
nach <strong>Maraskan</strong> nicht nur im Glauben konvertiert, sondern habe auch lange Zeit in einem Kloster der Zwillinge<br />
gelebt und bin in den Lehren der Priesterschaft Rurs und Grors unterwiesen worden. Meine Weihe erhielt ich im<br />
Tempel <strong>von</strong> Tujiak.“<br />
„Sie blufft!“ hätte Sigismund beinahe ausgerufen, gerade noch rechtzeitig blieben ihm die Worte im Hals stecken,<br />
und auch auf Odilons Gesicht schien ein Anflug <strong>von</strong> Überraschung erkennbar. Alriks Blick traf den Inquisitor. Es<br />
schien, als habe der Praiot für einen kurzen Moment die Beherrschung über seine Mimik verloren. In der Tat schien<br />
er so überrascht als hätte man ihm gerade bewiesen, dass Praios in Wahrheit nichts als ein riesiger feuriger<br />
Gasballon wäre. Er hatte bei seiner Arbeit als Inquisitor schon vieles erlebt, aber <strong>von</strong> einer elfische Priesterin des<br />
maraskanischen Glaubens hatte er noch nie etwas vernommen.<br />
„Ruramid war dabei zugegen, sowohl im Kloster wie auch bei meiner Weihe und kann das bestätigen. Ebenso<br />
natürlich die Priesterschaft der Zwillinge.“ sagte Alvan, den ungläubigen Gesichtsausdruck Vegszibers richtig<br />
deutend.<br />
Vegsziber sah Meldorjin fragend an. Dieser antwortete „Ja, das ist korrekt. Es ist seit jeher Brauch, dass im Falle<br />
einer Verurteilung einer Priesterin das Urteil schriftlich niedergelegt wird und nebst Anklageschrift und<br />
Gerichtsprotokoll der Priesterschaft übergeben wird, die dann über die Vollstreckung des Urteils entscheiden.“<br />
„Jaja, ich weiß. Aber das kann doch nicht sein. Wir haben doch keine elfischen Priesterinnen auf <strong>Maraskan</strong>.“<br />
„Vegsziber, ich lebte eine Weile in Tujiak, wie Du weißt. Es ist wahr, dort wurde vor noch nicht einmal zehn<br />
Jahren eine Halbelfe zur Priesterin geweiht. Wie es heißt sogar auf Fürsprache Milhibethjidas hin. Es wurde ihr<br />
allerdings keine feste Aufgabe in einem Tempel übertragen. Sie ist eine Wanderpredigerin und überwiegend<br />
außerhalb <strong>Maraskan</strong>s unterwegs, wie man hört. Ihr Weihename lautet Scheyhathjida Barnfanij.“<br />
Es war unschwer zu übersehen, dass Vegsziber ebenso wie einige der Matrosen dem entgangenen Spektakel einer<br />
Hinrichtung nachtrauerten, aber es war unzweifelhaft nicht möglich, eine Priesterin der Zwillinge hier und jetzt<br />
kielholen zu lassen. Wütend schlug Vegsziber mit der Faust auf den Tisch. Einen Moment befürchtete Alvan, der<br />
Kapitän könnte das überlieferte maraskanische Recht schlicht ignorieren. Es dauerte eine Weile, bis Vegsziber sich<br />
wieder fasste.<br />
“So, und jetzt sind da noch zwei Dinge offen. Erstens können diese Halunken und Tagediebe <strong>von</strong> Garethjas die<br />
vereinbarte Summe nicht zahlen. Eigentlich sollte sie dafür gleich <strong>von</strong> Bord jagen. Geht aber nicht, weil ich ja noch<br />
Tausendzweihundertfünfzig Dukaten bekomme für die verlorene Ladung. Macht zusammen, ähh,<br />
Tausendvierhundert. Habt ihr irgendeinen Vorschlag, wie ihr dieses Geld aufbringen könnt?“<br />
Alvan überlegte fieberhaft. Diese Summe würden sie natürlich niemals aufbringen können. Andererseits waren sie<br />
auf der Suche nach einem Schatz - einem Schatz, <strong>von</strong> der sie nicht wusste, inwieweit er wirklich existierte (<strong>von</strong><br />
dem Wasser des Talued einmal abgesehen, aber sie würde weder das eine noch das andere mit den Schmugglern<br />
teilen).<br />
"Mal angenommen, wir hätten das <strong>Gold</strong> nicht, Kapitanjin. Was würde dann geschehen?"<br />
"Dann müsste ich eine Verhandlung wegen Schulden eröffnen, Schwester Priesterin. Nicht gegen dich, aber gegen<br />
deine Gefährten." Vegsziber sah zu Meldorjin hinüber, der nicht ohne eine Spur <strong>von</strong> Begeisterung wieder sein<br />
Gesetzeswerk an sich nahm und im Geiste vermutlich schon unter "Schulden" nachblätterte.<br />
"Als Zeichen des Entgegenkommens würde ich dann allerdings mittelreichisches Recht anwenden. Genauer das<br />
Besatzungsrecht, das die Garethjas jahrelang gegen unsere Brüder und Schwestern angewandt haben, die die<br />
horrenden Abgaben des Tyrannen <strong>von</strong> Gareth nicht aufzubringen vermochten. <strong>Das</strong> heißt lebenslange<br />
Sträflingsarbeit auf Plantagen, Galeeren oder Minen. In Sinoda wird sich schon ein Plätzchen für euch finden."<br />
"Nun gut" Alvan verschränkte die Arme. "Wir haben das Geld nicht, aber wir sind auf dem Weg, es zu<br />
bekommen."<br />
Der Glatzkopf sah die Halbelfe erstaunt an. "Bekommen? Im besetzten <strong>Maraskan</strong>? Habt wohl noch eine Rechnung<br />
mit Helme Haffax offen?"<br />
"So ungefähr. Wir sind auf dem Weg, um einen Schatz zu bergen."<br />
"Einen Schatz. Hört, hört." Vegsziber sah sich zu seiner Mannschaft um. Ein Raunen ging durch deren Reihen.<br />
Verstohlen rieb er sich am krausen Ziegenbart. "Ein Schatz", wiederholte er langsam. "ich hoffe doch sehr, ein<br />
Schatz <strong>von</strong> mindestens tausendvierhundert Dukaten Wert."<br />
"Mindestens" antwortete die Baernfarn geheimnisvoll und registrierte zufrieden, wie sich das Raunen um sie herum<br />
verstärkte. Ein wenig kam sich Alvan vor wie Tika auf dem Kapitänstisch der Fran-Horas, als sie Mercurio -<br />
Mercurio, dieses Aas! - mit dem Handhaken bedroht hatte.<br />
"Mindestens." Vegsziber schüttelte ungläubig den Kopf und sah zur Sonne. "Und wo befinden sich diese<br />
ungeheuren Reichtümer, wenn ich einmal fragen darf?" fragte er, während er eine Wolkenbank besonders<br />
ausgiebig musterte, als wäre dort die Antwort versteckt.<br />
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