Das Gold von Maraskan - Darpatien

Mühlstein oder ein Gardeleutnant "von Stand" das rettende Elixier erhalten sollte, hatte sich der Medicus
selbstverständlich für den Edelmann entschieden. Alara war wenig später in Jobsts Armen gestorben. Der Medicus
hatte Mitleid gehegt, aber er, der Weibel, war außer sich gewesen und hatte in seinem Schmerz und seiner Wut
einige skandalöse Worte über den unterschiedlichen Wert des Lebens einer Niedriggeborenen gegenüber dem eines
feinen Herrn herausgeschrieen, die er hernach noch bitter bereut hatte. Irgendwie hatte nämlich auch der Leutnant
es geschafft, das Gemetzel zu überleben. Das war vermutlich der Grund gewesen, warum Jobst nach dem Krieg
nach Maraskan versetzt worden war. Nun ja, im Grunde war ihm hier das Schicksal sogar gewogen gewesen. Denn
wenn schon nicht vor den Heiligen Zwölfen, dann waren die Menschen wenigstens vor den Unheiligen Zwölfen
alle gleich.
Der Hauptmann räusperte sich und konzentrierte sich auf die Gegenwart und die belhalhargefällige Aufgabe, die
sie ihm stellte.
"Mal nur nich´ zuviel in den Gegner hineingeheimnissen, Finkenschlag. Das will der doch bloß, dass wir uns nen
Kopf machen wegen ihm. Beim Blutsäufer, wir sind eindeutig im Vorteil, nicht nur zahlenmäßig. Wenn die Sonne
aufgeht, scheint sie denen mitten ins Gesicht. Wir haben dann den Überraschungsmoment auf unserer Seite und
bestes Schützenlicht. Der Karakilreiter wird den Bastarden schon den Rest geben. Die werden brennen wie die
Fackeln, wenn sie uns in die Pfeile rennen."
Das milchige Zwielicht färbte sich langsam in ein blutiges Rot. Beste Angriffszeit. Hoffentlich würde sich der
Dunst rechtzeitig verziehen, bevor der Flugdämon eintraf. Brackenburger spürte eine prickelnde Erregung in sich
aufsteigen. Dieses Gefühl war es, das er seit den Erfahrungen des verlustreichen Orkkrieges und des frustrierenden
Kleinkrieges auf Maraskan über alles liebte: Mit MACHT angreifen. Das Heft in die Hand nehmen. Mit eiserner
Faust zuschlagen und den Gegner vernichten Darauf kam es im Krieg an und sonst nichts. Auf den SIEG. Wie viele
Soldaten waren gleich Alara sinnlos gestorben, weil denen da oben das Gefasel von rondragefälliger Ehre, die
geheiligte Tradition und der eitle Ruhm mehr bedeutete als ein schneller, eindeutiger Sieg.
Draußen auf dem Meer war nichts von der Zedrakke zu sehen, aber das hatte er auch nicht ernsthaft erwartet. Sein
Blick glitt über die Schießscharten in den Fensterläden, die lianenumrankten Steinmauern, das lukenbewehrte
Dach. Der Magier hatte Recht, die Klause hatte schon etwas von einer Festung an sich und war offensichtlich zu
diesem Zweck von irgendjemand erhalten worden. Auch der Steg hinter dem Schrein machte einen vergleichsweise
neuen Eindruck. Ein Rebellennest, kein Zweifel. Das sah alles nach einem dicken Fang aus, und er würde ihn
einbringen. Nur dumm, dass der Eingang auf der anderen, zur Seeseite hin lag. Bei einem Angriff würden sie um
das Gebäude herum müssen und dabei gute Ziele für die Schützen abgeben. Außerdem war auf der anderen Seite
vermutlich nicht genügend Platz, um eine Ramme gegen das Tor einzusetzen. Sie waren also wirklich auf die Hilfe
dieses Karakilreiter angewiesen.
"Wir haben genug gesehen" brummte der Hauptmann. "Gehen wir zurück."
Seine drei Gruppen kauerten einen Steinwurf weit hinter ihm am Bach. Brackenburger erstattete kurz Bericht.
"Sobald Berschin und Pomodera in Position sind, werden wir von der linken Flanke her und mit unserem Zentrum
angreifen" schloss er ab. Die Reaktion war verhaltener Unmut in den Gesichtern der Kämpfer. Sie hatten sich
offenbar auf eine Art bequemer Sumpfhuhnjagd eingestellt, bei der dem Karakil die Aufgabe des Treibers zufallen
würde.
"Wir müssen herausfinden, wie stark der Gegner ist. Insbesondere müssen wir so viele feindliche Schützen
ausschalten wie möglich, damit der Karakilreiter möglichst nahe ans Dach herankommt. Die Alrechs haben Puppen
in die Luken gestellt, weiß der Namenlose, was das zu bedeuten hat. Also, noch mal zurück zu unserem
Schlachtplan. Pomoderas Abteilung halten wir erst mal in der Rückhand, hier an der rechten Flanke. Wir selbst
rücken durch den Bach rechterhand auf die Klause zu und versuchen möglichst schnell in den toten Winkel der
Schießscharten zu gelangen." Mit einem Stöckchen zeichnete Brackenburger den Bach und die Klause in den
feuchten Uferschlamm und wies auf die Gebäudecke, die direkt an das Gewässer stieß. "Der Bach hier ist ein
famoser Laufgraben, wenn ihr den Kopf nur tief genug haltet. Das Schilf bietet gute Sichtdeckung, zumindest
gegen Beschuss aus den Fenstern. Die Dachluken machen wir ein wenig Sorgen. Und passt bloß auf, dass eure
Bogensehnen nicht nass werden. Haben wir es bis zu dieser Ecke geschafft, sind wir im toten Winkel, insofern ihr
euch nicht direkt vor die Schießscharten stellt. Nur müsst ihr euch möglichst schnell um das Gebäude verteilen.
Zwei Gruppen - ihr und ihr - brechen die Fenster auf der Ostseite auf, schießen ein paar Pfeile hinein und werfen
Fackeln hinterher. Wir müssen rauskriegen, wie abwehrbereit sie sind. Die vorderste Gruppe stößt zur Eingangstür
vor und versucht von dort aus einzudringen. Falls das Tor verschlossen ist, was ich annehme, sichert ihr es gegen
einen Ausfall. Aber haltet euch immer an der Mauer, damit euch keine Pfeile treffen. Weibel Berschin nimmt in der
Zwischenzeit das gesamte Haus von links her unter Beschuss, um den Gegner abzulenken. Vergesst nicht, dieser
Angriff dient nur dazu, die Verteidigungsfähigkeit der Gegner zu prüfen. Sobald ich den Rückzugsbefehl gebe,
zieht ihr euch wieder zurück und schließt vom Bach aus seitlich zu den anderen beiden Abteilungen auf, damit wir
eine schöne Schlinge um ihren Hals bekommen. Lasst niemanden entkommen. Versucht, möglichst viele Schützen
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