Das Gold von Maraskan - Darpatien
Das Gold von Maraskan - Darpatien
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„Eines beschäftigt mich schon eine Weile. Warum befasst man sich bei Eurer Familie so intensiv mit<br />
Ahnenforschung?“ fragte der Inquisitor Odilon, ohne dabei jedoch die Aufmerksamkeit, mit denen er die Fischer<br />
beobachtete, außer Acht zu lassen.<br />
„Mein Neffe hat ein sehr großes Interesse daran. Veneficus ist allen Wissenschaften gegenüber sehr<br />
aufgeschlossen, und die Historienkunde und Ahnenforschung ist gewissermaßen ein Steckenpferd <strong>von</strong> ihm“ Odilon<br />
verstand nicht, worauf der Priester jetzt hinaus wollte, kam aber zu dem Schluss, dass die Wahrheit in diesem Fall<br />
unverfänglich und auch für die Ohren eines Inquisitors geeignet war. „Aber was wundert Euch daran?<br />
Ahnenforschung betreiben doch eigentlich sehr viele adelige Familien. Viele Adelige sind stolz darauf, den<br />
Ursprung ihrer Familie weiter zurückverfolgen als der Nachbarbaron. Warum ist es da verwunderlich, wenn mein<br />
Neffe Ahnenforschung betreibt?“<br />
„Weil, wenn ich das so sagen darf, das Ergebnis derselben bei Eurer Familie aus dem Rahmen fällt. Ich kenne die<br />
Stammbäume vieler Adelshäuser. Viele Familien sind stolz darauf, ihre Ahnenreihe bis in die Zeit des<br />
Bosparanischen Reiches zurückverfolgen zu können. Aber mir ist nicht bekannt, dass eine Familie<br />
mittelreichischem Adel sich dazu bekennt, <strong>von</strong> Barbaren und Elfen abzustammen.“<br />
Odilon dachte nach. „Richtig. Eine Herkunft alten bosparanischen Adels verleiht natürlich einen gesellschaftlichen<br />
Status, der nur zu gern verkündet wird. Aber eine jede Forschung ist letztlich der Wahrheit verpflichtet und erfüllt<br />
nicht den Zweck, das für den Forschenden günstigste Ergebnis herbeizuführen.“ Odilon dachte, dass er den<br />
Inquisitor bei dem praioskirchlich gepredigten Streben nach Wahrheit packen könnte.<br />
„Wohl war. Es ist wohl auch oft Usus bei den Ahnenforschern <strong>von</strong> weltlichem Stand, ruhmreiche Ahnen<br />
hervorzuheben und den Bastard oder eingeheirateten Manne <strong>von</strong> nicht standesgemäßer Herkunft schlichtweg dem<br />
Vergessen anheim fallen zu lassen. Jedoch bleibt festzuhalten, dass die Barbaren, deren Nachfahren Ihr seid,<br />
Heiden waren. Unzivilisierte Menschen, die <strong>von</strong> Praios Gesetzen nichts wussten.“<br />
„Zweifellos wahr. Wie hätten sie denn auch <strong>von</strong> der Lehre des Praios erfahren sollen, wenn es in jenen Tagen keine<br />
Tempel und keine Priester der Zwölfe gab. Jedenfalls nicht außerhalb des Bosparanischen Reiches.“<br />
Dem konnte der Inquisitor nichts entgegen setzen.<br />
Alvan hatte sich hingelegt. Wäre ihr nicht so übel gewesen, sie wäre sofort eingeschlafen. So döste sie vor sich hin<br />
und schreckte alle paar Minuten aus dem Halbschlaf hoch, wachgerissen <strong>von</strong> lauten Wortfetzen, die sie nicht<br />
verstand und <strong>von</strong> großen Wellen, die das Boot heftiger als gewöhnlich schwanken ließen. Schweiß stand auf ihrer<br />
Stirn. Sie sah auf, als Honjin seinem Sohn anschaffte, er möge der Elfe einen Krug Wasser bringen. Alvan zitterte<br />
in banger Erwartung. Irgendetwas stimmte hier nicht. Wenn ihr doch nur klar werden würde, was. Ihre Sinne<br />
schlugen Alarm, doch sie konnte sich auf nichts konzentrieren. Was ging hier vor? Alvan wollte aufstehen, aber<br />
ihre Beine versagten ihr den Dienst.<br />
Der junge <strong>Maraskan</strong>er reichte ihr den tönernen Krug und dankbar trank sie. In tiefen Schlucken sog sie begierig das<br />
lebensspendende Nass ein. War da ein bleierner Geschmack in dem Wasser oder irrte sie darüber? Schon meinte<br />
Alvan, einen stechenden Schmerz zu spüren. Fragend sah sie den Fischersohn an. Dieser lachte. Gion lachte sie<br />
triumphierend an. Alvan wusste, was passieren würde. <strong>Das</strong> Gift der Roten Dschungelassel war das, ein Gift, dass<br />
sie lähmen würde, bis sie letztlich bei vollem Bewusstsein verhungern würde sobald sie auch nicht mehr essen<br />
konnte. Mit letzter Kraft warf sie Gion den Krug ins Gesicht. Gion lachte noch immer, sein überlegenes Grinsen<br />
ließ sie ihre Machtlosigkeit am ganzen Leib spüren. Alvan fröstelte trotz der Hitze, sie würgte und spuckte und<br />
erbrach sich. Eine raue Hand strich ihr zärtlich liebkosend über die Wange, ein Mund grinste sie lüstern an.<br />
Reflexartig drehte Alvan den Kopf zur Seite und biss zu.<br />
Odilon schrie auf. „Kind, du phantasierst. Werde mir jetzt bloß nicht krank. Wir brauchen Dich. Ich brauche Dich,<br />
wenn wir das hier überstehen wollen.<br />
Langsam kam Alvan wieder zu sich. Schuldbewusst sah sie auf die blutende Hand Odilons. Ein süßlicher Geruch<br />
stieg ihr in die Nase. Zumindest erbrochen hatte sie sich nicht nur im Traum.<br />
„Kind, was ist los mit Dir? Du hast Fieber!“ stellte Odilon fest. Alvan sagte nichts.<br />
Odilon war heilfroh, als Alvan endlich eingeschlafen war. Sie würde den Schlaf brauchen, das war klar. Vielleicht<br />
würde es ihr danach besser gehen. Jetzt konnte er ohnehin nichts für sie tun. Dann sah er seine Gefährten an.<br />
Vollständig wach schien lediglich der Inquisitionsrat. Er hatte sich schlussendlich wiederwillig ganz in seinen<br />
Umhang gehüllt, so dass seine verräterische Kleidung nicht zu sehen war.<br />
„Ich glaube, wir können den Fischern soweit trauen. Sie haben viel zu viel Angst vor uns, als dass sie einen<br />
Aufstand wagen würden.“<br />
„<strong>Das</strong> glaube ich auch.“ stimmte Odilon zu. Sie haben die Gewissheit, uns in Gipflak <strong>von</strong> Bord zu bekommen.<br />
Wenn wir sie dann aus den Augen lassen, werden sie sich <strong>von</strong> dannen machen und in ihr Dorf fahren. Also müssen<br />
wir uns noch etwas einfallen lassen, wenn wir mit ihrem Boot nach Jergan kommen wollen. Wir können schließlich<br />
nicht immer ein Auge auf sie haben, und ich halte auch nichts da<strong>von</strong>, eine Geisel zu nehmen. <strong>Das</strong> bringt letztlich<br />
nur Hass auf uns mit sich, und dann kommen sie vielleicht doch noch auf den Gedanken, uns irgendwo<br />
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