Das Gold von Maraskan - Darpatien
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II. Kapitel: Der Inquisitor<br />
Angewidert sah Alvan auf den Matsch, der ihrem Pferd <strong>von</strong> den Schenkeln tropfte. Die Landstraße nach Friedwang<br />
war eine einzige langgestreckte Lehmgrube, in deren unzähligen Schlaglöcher brackiges Schmelzwasser stand Auf<br />
der Heide und im umliegenden Wald, der <strong>von</strong> dem schweren Gallysard ziemlich in Unordnung gebracht worden<br />
war, lagen noch immer große, schmutziggraue Schneeflächen.<br />
Es war ein nasskalter, ungemütlicher Tag Anfang Hesinde, eigentlich kein guter Tag zum Reisen. Nun, bis nach<br />
Friedwang waren es nur noch wenige Meilen, trotz der diesigen Luft waren die Burg und die Häuser zu ihren<br />
Füßen bereits schemenhaft zu erkennen. Krähen taumelten durch die Luft und krächzten heiser, eine Stimmung, die<br />
eher dem Herren Boron als der Göttin der Weisheit genehm sein mochte.<br />
Alvan fluchte. Die Straße war wirklich in einem miserablen Zustand, selbst für das winterliche Tauwetter. Baron<br />
Alrik, dieser Geizkragen! Hätten nicht ein paar Bauern aus Schneiß hier und da Tannenreisig auf die schlimmsten<br />
Schlammkuhlen geworfen, die armen Gäule wären längst irgendwo stecken geblieben.<br />
Jetzt, gegen Abend, setzte wieder leichter Schneefall ein. Die Therbûnitin, die einige Schritt hinter ihr auf einem<br />
Esel ritt, hüllte sich enger in ihren klammen Mantel. Unter normalen Umständen hätten sie die kurze Strecke <strong>von</strong><br />
Nordenheim nach Friedwang zu Pferde in wenigen Stunden bewältigt, aber heute... Sigismund war sich zu fein<br />
gewesen, mit zu reiten, er wollte bis zu ihrer Rückkehr auf Gut Belenburg warten. Gut so, wenn sich hungriges<br />
Rotgepelz in der Gegend herumtrieb, wollte sie besser einen Edlen auf den Hof wissen, der notfalls dem Gesinde<br />
Anweisungen geben konnte. Gunelde hatte nichts gegen seiner Teilnahme an der borongefälligen Queste<br />
einzuwenden gehabt, sehr zur Freude ihres Kavaliers. Nun, er ahnte nicht, auf was er sich da einlassen wollte.<br />
Der Schneesturm hatte mit kleinen Unterbrechungen fast zwei Tage gedauert. Am darauffolgenden Morgen hatte<br />
bereits das Tauwetter eingesetzt, und erst seit heute war der Schlamm wieder soweit verfestigt, dass man überhaupt<br />
die eigentlich kurze Strecke zur Burg in Angriff nehmen konnte.<br />
Die letzten Meilen vor Friedwang befand sich die Straße wieder in einem leidlich guten Zustand - die Löcher waren<br />
mit Schieferkies verfüllt, und auch sonst hatten die Friedwanger mit Schotter nicht gegeizt.<br />
Es dämmerte bereits, als die beiden Frauen durch das Tor in die engen Gassen des Marktfleckens ritten. Friedwang<br />
war ein typisch darpatisches Dorf, das fast schon ein wenig kleinstädtisch wirkte: schmucke Fachwerkhäuser, mit<br />
Schieferschindeln gedeckt, hier und da leuchtete heimelig eine Laterne im Orange der Travia.<br />
Vor allem der gepflasterte Alboransplatz gab Friedwang den Eindruck einer Landstadt: Der schmucke<br />
Gänsebrunnen mit der Pferdetränke, die prächtige Basilika des Praios sowie die heilige, <strong>von</strong> einer großen Kuppel<br />
überwölbte Halle der Travia waren für ein Dorf <strong>von</strong> rund achthundert Einwohnern eigentlich bereits Luxus. Im<br />
"Springenden Steinbock" ging es hoch her, fröhlicher Lärm, Becherklirren und Lautengeklimper waren zu hören.<br />
Eine Katze eilte mit wirbelnden Pfoten auf eine große Scheune zu, vermutlich fühlte sie sich <strong>von</strong> den Reisenden<br />
gestört.<br />
Alvan wendete ihr Pferd nach rechts, in die Burggasse, die <strong>von</strong> hier aus zum Friedstein hinaufführte. Es schneite<br />
wieder stärker, allerdings blieb der Schnee nicht liegen.<br />
Wenig später standen die beiden vor dem Tor der Burg. Barnhelm, der Büttel, war gerade dabei, die mächtigen<br />
Flügel zu schließen, gemeinsam mit einem Gefährten, den Alvan nicht kannte. Nach kurzem Geplauder wurden die<br />
beiden in den Vorhof eingelassen, wo ein herbeigerufener Knecht die völlig erschöpften Pferde übernahm.<br />
Barnhelm legte den schweren Riegel des Burgtores vor, dann führte er die beiden Neuankömmlinge über den<br />
Haupthof in den Tedesco-Saal, wo ein gemütliches Kaminfeuer prasselte, und eine Magd die völlig durchnässten<br />
Mäntel an sich nahm.<br />
Die Wärme war noch nicht zur Gänze in Alvans Glieder zurückgekehrt, als der Baron und seine Gemahlin die<br />
Treppe herab geschritten kamen.<br />
"Meine Schwester hier in Friedwang?" dröhnte Alrik los. "Ein ungewöhnlicher Besuch. Noch dazu in Begleitung<br />
der werten Alvana <strong>von</strong> Nordenheim. Den Habit der Peraine trägst du auch noch, liebe Gunelde, wahrlich, was für<br />
eine Überraschung. Nun denn, willkommen auf Burg Friedstein."<br />
Nach dem Austausch einiger Höflichkeitsfloskeln wurde ein kleines Abendessen auf den schweren eichenen Tisch<br />
gestellt und Wein in die zinnenen Becher gefüllt. Langsam wich die Last der Reise <strong>von</strong> den beiden Frauen ab.<br />
Alvans Blick ging zu Serwa, die, wie sie erst jetzt bemerkte, niedergeschlagen, wenn nicht gramerfüllt wirkte.<br />
Waren ihre Augen nicht gerötet, gar so, als hätte sie vor kurzem bitter geweint?<br />
"Was ist mit Dir, liebe Serwa?" fragte Alvan. "Du wirkst bedrückt."<br />
Einen Augenblick lang schwieg die Baronin, dann kämpfte sie erneut mit den Tränen.<br />
"Deggen... Deggen ist tot" stieß sie schließlich mit tonloser Stimme hervor, begleitet <strong>von</strong> einem Schluchzen. Hastig<br />
presste sie sich eine Serviette an die bebenden Lippen.<br />
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