Das Gold von Maraskan - Darpatien

Offiziere, anständige Seeleute, würden es sicherlich noch weit bringen. Aber sie schafften es einfach nicht, einmal
von einer wirklich überlegenen Warte an die Dinge heranzugehen.
Olsan hingegen hatte schon sehr früh den Verdacht gehegt, dass der Maraskaner nur deswegen so halsbrecherisch
hart am Wind fuhr, weil er seine Verfolger von der Bucht wegzulocken versuchte. Wie eine schwarze Amsel die
Katze von ihrem Gelege. Gewiss doch, soweit der Kapitän verstanden hatte, wollte der Maraskaner sich dort mit
weiteren Schmugglern treffen, die in ihrem Versteck an Land zeitgleich von der Karmothgarde ausgehoben werden
sollten. Was wäre, wenn der Käferfresser nach Einbruch der Dunkelheit gewendet hätte, unbemerkt an ihm
vorbeigefahren und jetzt wieder auf dem Weg zum Treffpunkt wäre?
Also jagte die "Dämonenkrone" nun wie ein unermüdlicher Spürhund nach Osten. Selbst wenn die Nachtwind nicht
irgendwo vor ihm war, die Gardisten an Land würden sich sicher über Verstärkung freuen.
Langsam ging die Sonne auf. Die Küste Maraskans schälte sich aus dem Dunst. Olsan hatte perfekt navigiert, wie
immer, von hier bis zur Bucht waren es nur noch einige wenige Meilen. Schon nach kurzer Zeit wies ihm eine fette
Rauchwolke über den Bäumen den Weg. Kein Zweifel, der Kampf war dort in vollem Gange.
"Schiff in Sicht!" gellte es von der Spitze des Hauptmasts. Der Ausguck wies von der Küste hinweg zur offenen
See. "Nein, es sind zwei!"
Olsan zog sein Fernrohr aus und suchte die blaugrüne Kimmung ab. Tatsächlich, eine rabenschwarze Zedrakke.
"Was kommt denn da angeflogen? Mein kleines Amselchen." Olsan kicherte leise. Er hatte den richtigen Einfall
also sogar noch v o r dem maraskanischen Kapitän gehabt...Das bedeutete, dass er ihm wirklich überlegen war.
Grandios, einfach grandios. Fast schon ein wenig selbstverliebt strich er sich über das pomadige Haar und wischte
sich die Hand am nachtblauen Uniformrock sauber.
Die "Nachtwind", kein Zweifel. Das Fernrohr glitt weiter, fand eine Möwe, dann eine tiefhängende Wolke.
Schließlich ein weiteres Schiff. Von Südwesten her näherte sich eine schnelle Thalukke, mit Segeln wie
Haifischflossen. Das blutige Lilienbanner der Fürstkomturei flatterte am Großmast. Noch großartiger. Das würde
ein guter Tag werden.
"Sieht ganz so aus, als hätten wir die schwarze Schlampe mächtig in die Enge getrieben!"
Sogar ein sehr guter Tag. Triumphierend sah Efferdtod zu seinem Ersten, der genüsslich grinste, während die
Bordmagierin Zachora ob seiner Wortwahl eher verdrießlich dreinblickte. Nun ja, er konnte das blasse, verwöhnte,
ständig seekranke Persönchen ohnehin nicht sonderlich leiden. Wie lächerlich sie in ihrer mit Sternen und
sonstigem Flitterkram bestickten Robe aus schwarzem Samt aussah. Nun denn, sie war mitunter ganz nützlich,
darauf kam es an. Einige Leute waren halt einfach nicht borbaradial genug, um auch ohne Magie Erfolg im Leben
zu haben. So wie er heute.
"Schiff klar zum Wenden. Jetzt holen wir uns den Bastard!"
Die "Dämonenkrone" rauschte auf die Zedrakke zu - leider nicht ganz so schnell, wie sich das Olsan Efferdtod
vorgestellt hatte. Nach der nächtlichen Verfolgungsjagd waren die Rudersklaven heillos erschöpft, und sie fuhren
jetzt wieder gegen den Wind und die Strömung an. Er gab Befehl, den Mast einzulegen. Diese schwächlichen
Maraskaner. Jeder Goblin war diesem Pack an Kraft und Ausdauer überlegen. Kein Wunder, dass sie so
heimtückisch waren, denn den offenen Kampf konnten sie in den seltensten Fällen wagen. Nun ja, an sich eine gute
Eigenschaft bei Rudersträflingen. Wenn sie nur etwas schneller rudern und nicht so sehr nach Schweiß und
Exkrementen stinken würden.
Olsan grinste dennoch. Alles passte wunderbar, Charyptoroth würde ihm einen schnellen Sieg schenken. Die
Thalukke hinter der "Nachtwind", das musste die "Sancta Bethana" unter Salvida Wergenwickler sein, ein
pfeilschnelles Schiff und mindestens so wendig wie die Zedrakke.
Erst als er die vielen bunt gekleideten Gestalten an Deck sah, erstarb sein selbstgefälliges Grinsen etwas. Das
waren nicht Wergenwicklers Leute, nein, das erspürte er sofort. Er erahnte Holzpanzer und Jerganmesser. Dieses
Pack sah verflucht nach maraskanischen Piraten aus!
War dies am Ende die "Schwarzer Stier", die vor einem Dämonenlauf auf halbem Weg zwischen Tuzak und Jergan
verschwunden war, vermutlich von einem Sturm an die Küste geworfen oder von Irgendetwas aus Charyptoroths
Tiefen geholt? Eine neue Fahne entfaltete sich nun am Großmast: Eine rote Maraske auf grünem Grund. Eine sehr
gewagte Heraldik. Erneut machte sich Arroganz auf Olsan Gesicht breit. Nicht einmal Wappen konnten die
Maraskaner richtig zusammenstellen.
Stimmte am Ende das Gerücht doch, dass die vermisste Thalukke Rebellen der Sira Jerganak in die Hände gefallen
war? Auffallend war, dass in den letzten zwölf Monden immer wieder Fischerburschen und -Mädchen aus den
Küstendörfern südlich Jergans in den Dschungel gegangen waren, ganz so, als würden die Alrechs gezielt
seefahrendes Volk anwerben.
Die Thalukke korrigierte leicht ihren Kurs und hielt nun geradewegs auf die Galeere zu. Kein Zweifel, sie hatte die
"Dämonenkrone" als neues Ziel auserkoren.
"Schiff klar zum Gefecht!" kommandierte Olsan. Seine Finger verkrampften sich mehrmals nervös und entspannten
sich dann wieder. Sie wagten ihn herauszufordern, ihn, einen für sein Alter mit am höchst dekorierten Offiziere der
Maraskanischen Flotte.
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