Das Gold von Maraskan - Darpatien
Das Gold von Maraskan - Darpatien
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Mercurio wollte Odilon bei sich haben und stets ein Auge auf ihn werfen. Tika und Alvan, so kalkulierte er,<br />
würden sich gegenseitig so sehr hassen, dass sie sich nicht gegen ihn verbünden und sich damit selbst kontrollieren<br />
würden. Tika würde alles daran setzen, sein Vertrauen zurück zu erobern, und Alvan würde der doppelten<br />
Verräterin gewiss kein Vertrauen schenken. Und wenn sie sich gegenseitig an die Gurgel gehen würden, dann war<br />
ihm das auch gleichgültig. Bei einem Streit der beiden würde Tika wohl den Kürzeren ziehen, und den Verlust der<br />
Verräterin konnte er verschmerzen. Gefolgt <strong>von</strong> Odilon ging der Kapitän zur Steuerbordreling. Seine laute Stimme<br />
übertönte den aufkommenden Sturm.<br />
„Seeleute, hört mich an in Charyptoroths Namen! Ihr habt die freie Wahl! Ihr könnt mir die Treue auf diesem<br />
Schiff halten und dem Glauben an die Zwölf abschwören. So wie Euer starker Kämpfer, der eingesehen hat, dass<br />
keine Möglichkeit besteht als mir zu gehorchen!“ er deutete auf Odilon. „Wer mein Angebot nicht wahrnehmen<br />
will, der verlasse augenblicklich das Boot und vertraue darauf, dass euer schwachsinniger Efferd ihm beisteht. Wer<br />
überleben will, der komme an Bord und schwöre mir die Treue!“<br />
Alvan blickte über Deck. Es waren doch nur zehn Piraten an Bord. Nur zehn. Mercurio, der Kapitän. Und Tika, die<br />
Verräterin. Dann noch Kobad, Xenia, Dusan und Sauerbrot. Und Linne, die aber ihr Holzbein eingebüßt hatte und<br />
nicht kampfbereit war. Und dann noch drei Piraten des Erkundungstrupps. Halt, nein, mit Fisch waren es 11. Und,<br />
beinahe hätte sie es vergessen. Da waren ja noch die beiden Piraten, die sich tot gestellt hatten, als Odilon an Deck<br />
der Asmodena-Horas gelangt war. Also dreizehn. Nur Fredor, das wusste sie, war wirklich tot. Bei dem kurzen<br />
Handgemenge zuvor mit den Piraten hatte Alrik ihn erschlagen. Also dreizehn Piraten. Eine unheilige Zahl. Aber<br />
sie waren immer noch zu siebt, und auch einige der Piraten waren verletzt. Erschöpft waren sie ebenso. Und dann<br />
natürlich die Matrosen. Natürlich würden sie um ihres Überlebens willen das Angebot Mercurios annehmen. Aber<br />
ebenso sicher würden sie auch wieder <strong>von</strong> ihm abfallen, wenn das Blatt sich wenden würde.<br />
„Pack an, Luder!“ kommandierte Alvan, als sie und Tika neben Fredors Leiche standen.<br />
„Heda, gewöhn dir gefälligst einen freundlichen Ton an, wenn Du mit mir redest!“<br />
„Schlampe, ich rede mit Dir wie ich will. Du hast wohl vergessen, dass Mercurio mir soeben das zweite Wort an<br />
Bord gegeben hat? Wenn der Käpt´n nichts anderes sagt machst Du was ich Dir anschaffe!“ Alvan bückte sich,<br />
nahm den Säbel Fredors und befestigte ihn an ihrem Gürtel. Dann zog sie noch Alriks Wurfdolch aus der Brust des<br />
Piraten. „Hab ich mich klar ausgedrückt, du falscher Horasdor?“ zur Bekräftigung ihrer Worte hielt sie Tika den<br />
Dolch an die Kehle.<br />
„Ist ja gut, ich hab verstanden. Tu bitte das Messer weg.“<br />
„Na also. Ich denke wir verstehen uns.“ Mit einer verächtlichen Handbewegung warf Alvan das Messer fort.<br />
Die Handbewegung sah zwar verächtlich aus, aber sie war es nicht. Im Gegenteil war es sogar ein sehr gezielter<br />
Wurf. <strong>Das</strong> Messer flog durch das kleine Fenster der Tür, hinter der Alrik, Sigismund, Hesindian, Gunelde und<br />
Selbfried schon einmal gefangen waren. Die Tür war in diesem Augenblick nicht bewacht. Mercurio brauchte<br />
jeden, den er noch hatte, um das Schiff klar zu machen und um die Matrosen an Bord zu holen. Alvan triumphierte<br />
innerlich. Mercurio war schwer beschäftigt. Er konnte Odilon im Blick behalten, nicht aber auch sie. Also konnte<br />
sie eigentlich tun und lassen was sie wollte, wenn sie auf einigermaßen auf Unauffälligkeit bedacht war. Es war ein<br />
Glück, dass so wenig Piraten noch am Leben waren. So war der Kapitän auf neue Gefolgsleute angewiesen. Mit<br />
dreizehn Mann ließ sich eine Schi<strong>von</strong>e vielleicht notdürftig steuern, ganz gewiss aber konnte man keinen Überfall<br />
auf andere Schiffe unternehmen. Und gerade sie als Richtschützin dürfte für ihn unentbehrlich sein. Mit dieser<br />
Situation dürfte sich wohl etwas anfangen lassen.<br />
Tika bückte sich nach dem Lederbeutelchen, das an Fredors Gürtel hing. Dabei sah sie Alvan fragend an. Diese<br />
nickte. „Du kannst es haben.“ Insgeheim war Alvan froh darüber, dass Tika den Münzbeutel haben wollte. So<br />
würde sie wohl nicht monieren, dass Alvan sich die Waffen genommen hatte. Dann packten die beiden Frauen die<br />
Leiche an den Armen und schleiften sie über das Deck. Ein Platschen, und Fredor verschwand in der aufgewühlten<br />
See. Danach gingen Alvan und Tika zur Luke, die hinab zur Bilge führte. „Du bleibst hier!“ kommandierte Alvan.<br />
Ich reiche Dir die Toten nach oben, du nimmst sie entgegen. Wenn wir beide unten sind schaffen wir das nicht, auf<br />
der Leiter ist nur Platz für einen.“ Tika nickte. Alvan war es egal, ob Tika es durchschaute, dass sie in erster Linie<br />
die Waffen der Toten, soweit vorhanden, in Sicherheit bringen wollte. So wie sie Tika einschätzte würde sie das<br />
ihrem Kapitän nicht melden. Denn dass Tika sich nach dem Mächtigen richten würde war ebenso klar, wie dass sie<br />
vor Mercurio Angst hatte. Sie würde einem Aufstand an Bord wohl nicht im Wege stehen, wenn sie dabei eine<br />
Chance zu überleben sah. Bei Mercurio konnte sie sich da nicht sicher sein. Eigentlich wollte sie sogar, dass Tika<br />
es bemerkte, dass sie sich für die Waffen der Toten interessierte. Denn dann würde sie mit Sicherheit wieder<br />
vorsichtig andeuten, dass sie natürlich nur unter Zwang Verrat begangen habe und letztlich einfach nur überleben<br />
wollte, dass sie aber im Herzen weiterhin aufrechten Glaubens sei. Solches Söldnerpack wie Tika hatte sie zu<br />
Dutzenden erlebt. Sie dienten dem, <strong>von</strong> dem sie sich am meisten versprachen. So etwas wie Ehre oder<br />
Aufrichtigkeit brauchte sie <strong>von</strong> ihr nicht erwarten. Es war möglich, dass sie sich irrte, aber es war denkbar, dass<br />
Tika ihr noch einmal nützlich war.<br />
Odilon stand neben Mercurio und half den Matrosen an Bord. Diese wussten nicht, ob sie Odilon für einen Verräter<br />
halten sollten oder nicht, aber zunächst einmal waren sie froh, dem drohenden Unwetter an Bord einer großen<br />
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