Das Gold von Maraskan - Darpatien
Das Gold von Maraskan - Darpatien
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"Bei der Schönheit der Welt, in Elburial ist es um diese Zeit noch sehr viel gefährlicher - und vor allem freudloser."<br />
Grinsend zog Ruramid zwei Blutrosen unter ihrer Jacke hervor. "Hier, das sollte genügen."<br />
"Wo has´u die de´ her?"<br />
"Die? Die halten ewig. Sind ja auch aus Papier. So was braucht man schon, wenn man sich an einen derart<br />
einzigartigen Ort bewegen will, ohne sein ganzes <strong>Gold</strong> den bruderlosen Dienern des Äthrajin in den Rachen zu<br />
werfen. Außerdem mag ich die echten nicht, die stechen mir zu sehr. Nachts reicht dieser Trick völlig aus, um die<br />
Oronier zum Narren zu halten. Dann ist ja eh´ kaum noch einer nüchtern."<br />
Die beiden gingen zur Esplanade der Genüsse hinüber, wo es jetzt, kurz vor Mitternacht, lauter und<br />
feuchtfröhlicher zuging als am hellen Tag. Eine schwüle Hitze lag in der Luft, die die Haut prickeln ließ;<br />
schmierige Rauschkrauthändler und die aufdringlichen Anwerber verschiedener Etablissements huschten umher,<br />
um Kunden zu locken. Mehr als einmal musste Ruramid einen besonders dreisten Kerl mit barschen Worten<br />
verscheuchen. Alvan hielt mit der misstrauischen Unsicherheit der Betrunkenen ihren Dukatenbeutel fest, denn das<br />
lärmende Gewimmel um sie herum war buchstäblich atemberaubend. Wenn sie nur Ruramid nicht aus den Augen<br />
verlor.<br />
Alvan gehörte zu den Menschen, die besonders klar dachten und empfanden, wenn sie etwas getrunken hatten -<br />
oder sich dies zumindest gerne einbildeten. <strong>Das</strong> eigentlich Beängstigende an der Szenerie, das spürte sie wohl, war<br />
nicht ihre schrille, mehr an das ferne Güldenland denn aventurische Verhältnisse gemahnende Dekadenz, die grell<br />
geschminkten Gesichter der Männer und Frauen, der erstickende Geruch nach Parfüm, Dreck, Schweiß und<br />
anderen Körperflüssigkeiten, sondern die Aura völliger Normalität, die trotz allem über dem Ganzen lag. <strong>Das</strong> hier<br />
war Alltag - oder besser gesagt All-Nacht - in Elburum. Mehr als einmal spürte sie die gierigen, lüsternen Blicke<br />
eines Mannes (oder war es gar eine Frau, die sie unter dem Schleier hervor musterte?), der über ihren<br />
wohlgeformten Körper und das hübsche Elfengesicht glitt.<br />
Mit einem mal kam alles wieder hoch, die Szene im Mannschaftslogis der Fran-Horas, die groben Arme, der<br />
schlechte Atem der Piraten, die sie festhielten und auf eine Kiste zwangen, das Nesteln an ihrem Gürtel, die<br />
beunruhigende Kühle des Lufthauchs auf ihren entblößten Oberschenkeln, als ihr die Hose heruntergezogen wurde,<br />
die obszön angeschwollenen, aufragenden und schmutzigen Glieder, die ihre angstschwitzenden Beine auseinander<br />
zwangen, die lächerlich plumpen, schmerzhaft reibenden Stöße, mit der sich ihre Peiniger zu befriedigen suchten,<br />
die klatschende Ohrfeige Gions und sein feixendes, glänzendes Gesicht, der sie mit pervalischer Zufriedenheit<br />
musterte.<br />
<strong>Das</strong> eigentlich Entsetzliche an den auf sie einströmenden Gedankenbildern aber war, dass sie das Erlebte jetzt gar<br />
nicht mehr nur als schmutzig und erniedrigend, sondern auch - als lustvoll empfand. Hatte sie in dem Moment, als<br />
der Pirat auf ihr <strong>von</strong> Odilons Pfeil durchbohrt worden und sein Blut über sie gespritzt war und er sich noch im<br />
Todeskampf in ihren Leib ergossen hatte - nicht einen heftigen Herzschlag lang so etwas wie höchste Ekstase<br />
gespürt, ein Gefühl wie Glück darüber, dass dieses Schwein es nun war, das leiden musste?<br />
Körper prallen gegen Alvan, Hände griffen nach ihr, gierige Blicke starrten sie an. Sie schwamm in der<br />
Menschenmenge, wurde <strong>von</strong> ihr getragen. Inständig hoffte sie, dass sie ihr die Kleider vom leib reißen würden,<br />
dass sie zu Boden gestoßen und dass man sich an ihr vergreifen würde - als erstes <strong>von</strong> diesem kräftigen jungen<br />
Krieger mit der levtahnsgefällig behaarten Brust dort -, hier auf der Straße, vor aller Augen, schmerzhaft und<br />
grausam, verschwitzt und schmutzig wie sie war. Alvan stöhnte allein bei dem Gedanken vor Lust und tastete nach<br />
dem Messer in ihrem Gürtel. Im Augenblick der höchsten Erregung würde sie dem Mann dann den Dolch in die<br />
Kehle stoßen und sein warmes, süßes Blut über sie fließen lassen, es mit der fordernden, vibrierenden Zunge<br />
aufflecken und lachend ihre Zähne in seinen Hals graben, um...<br />
Ruramid packte sie an der Schulter, zerrte sie aus der Menge heraus. Alvan war sich nicht ganz klar, ob die Meute<br />
wirklich kurz davor gestanden hatte, über sie herzufallen oder ob dies alles nur Einbildung gewesen war. Langsam<br />
kam sie wieder zu sich, lehnte sich gegen eine Palme, schöpfte Atem. Was war nur in sie gefahren, was für<br />
abscheuliche Gedanken kreisten in ihrem Kopf? Verschämt schlug sie ihre Hände über das Gesicht. Ihr Herz raste<br />
noch immer, nur langsam beruhigte sie sich wieder.<br />
Die Hitze hatte zumindest dafür gesorgt, dass der meiste Alkohol aus ihrem Körper verdunstet war, so dass sie nun<br />
wieder einigermaßen klar denken konnte. Mit gesenktem Blick folgte sie Ruramid in eine Schänke, in der es, dem<br />
Lärmen und Becherklirren nach zu urteilen, besonders hoch her ging.<br />
Alrik umrundete noch immer die Palastanlage, die <strong>von</strong> einer hohen Mauer und schwer bewaffneten Wachen<br />
gesichert war. Ihm schien es, als würde er <strong>von</strong> den Mauerzinnen herab gemustert und beschleunigte seine Schritte<br />
etwas. Die Verbotene Festung - wenn der Anblick vor ihm ein Gemälde gewesen wäre, hätte er es so genannt.<br />
Nein, hier war es mit einem geworfenen Enterhaken und Kletterkünsten nicht getan.<br />
Als geborener Südländer wusste er, dass es unter tulamidischen Städten meistens ein Gewirr alter Gänge gab - wie<br />
nannte man sie in Aranien? Feggagir? - die als geheime Verbindungs- und Fluchtwege, Wasserleitungen oder auch<br />
Kanalisation benutzt wurden. Alrik nahm an, dass zumindest die Festung über derartige Tonröhren verfügte - in<br />
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