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1) Der Angriff - Über mich

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Frauke Feind<br />

handelt. Jim war erstaunt darüber. Es ging bereits besser, aber ein paar Tage würde es sicher<br />

noch dauern, bis alles einigermaßen verheilt war. Dass sein Rücken überhaupt mitspielte,<br />

grenzte für Jim an ein Wunder. Er hatte gestern Abend, wie der Rest seines Körpers, höllisch<br />

weh getan, aber er konnte sich noch bewegen. Er war gespannt, wie lange noch. Jim hastete<br />

voran, um schnell die Lichtung und damit Kelly zu erreichen. Die Frauen waren noch nicht<br />

da, aber wenige Minuten kamen sie ebenfalls auf der Baustelle an. Heute war es fast noch<br />

schwerer, nicht zu einander zu dürfen. Jim sah Kelly mehr als deutlich an, wie fertig sie war.<br />

Ihre Blicke trafen sich immer wieder und die Sehnsucht zueinander war fast mehr, als sie er-<br />

tragen konnten. Sie wären schon für eine einzige Umarmung unendlich dankbar gewesen. Nur<br />

für eine Minute den Partner spüren. Nur wenige, kleine Worte wechseln. Aber sie mussten<br />

Schweigen und sich fern halten. Jim schloss vollkommen verzweifelt die Augen und stöhnte.<br />

<strong>Der</strong> Tag verging mit der schweren körperlichen Arbeit und der nächste, und der über-<br />

nächste. Von morgens bis abends waren sie damit beschäftigt, Bäume zu fällen, zu entasten,<br />

fort zu schaffen. Eine harte, kräftezehrende Arbeit. Sie hatten Schmerzen im ganzen Körper,<br />

die Hände waren wund und aufgescheuert, die Muskeln schrien bei jeder Bewegung gequält<br />

auf. Irgendwann schließlich kam ein Punkt, an dem sie aufhörten, ständig an einander zu<br />

denken, einfach, weil dafür keine Kraft mehr vorhanden war. Die wenigen Kräfte, die sie<br />

noch aufbringen konnten, mussten sie dafür verwenden, sich anzutreiben, durchzuhalten. Ein<br />

Tag verging wie der andere. In der glühenden Sonne wurde die Lichtung langsam größer.<br />

Mechanisch, wie programmiert, schufteten alle vier weiter. Fielen abends nach dem Essen auf<br />

den harten Boden und schliefen wie betäubt, am Rande der völligen körperlichen und<br />

seelischen Erschöpfung. Und dann kam der fünfte Tag der Schufterei. Und er brachte eine<br />

<strong>Über</strong>raschung.<br />

Morgens waren Jack und Jim wieder auf die Lichtung geschafft worden, die schon<br />

deutlich größer geworden war. Wie Maschinen, möglichst ohne nachzudenken, waren sie an<br />

die Arbeit gegangen. Das Nachdenken war zu schmerzhaft, denn dann drehten sich die Ge-<br />

danken ausschließlich um die grausame Folter, sich zu sehen und doch weiter voneinander<br />

getrennt zu sein, als wären sie auf Mars und Mond verteilt. Sie hatten weder ein Wort mit-<br />

einander gewechselt, noch sich berührt. Alles, was ihnen blieb war, sich mit Blicken sehn-<br />

suchtsvoll anzuschmachten. Jeder Abend war schlimmer gewesen als der Vorangegangene,<br />

jede Trennung schwerer zu ertragen, und jedes Wiedersehen am Morgen schmerzhafter. Man<br />

wusste, man war wieder den ganzen Tag zusammen und doch nicht. Jim verfluchte mehr als<br />

einmal das Schicksal, dass sie wieder auf diese elende Insel mit ihren geisteskranken Be-<br />

wohnern geführt hatte. Er sah zu Kelly hinüber. Sie sah so unglaublich erschöpft aus.<br />

Vollkommen verdreckt, die Kleidung zerrissen, Tränenspuren überdeutlich im schmutzigen<br />

Gesicht. Wie gerne hätte er sie in die Arme genommen und von hier fort gebracht. Stattdessen<br />

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