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MARIEN pdf

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Das Ofenrohr blies seinen Qualm zum Fenster hinaus. Dass sich für den Teil der Bevölkerung,<br />

der zwischenzeitlich zu Geld und Geltung gekommen war, diese Zustände in klingende<br />

Münze verwandeln ließen, dokumentiert beispielsweise das Haus am Ehrenberg,<br />

der heute im Besitz der Familie Kampschulte befindliche „Sternenbergsche Bau", ein Prototyp<br />

einer „Kraft-Wärme-Kopplung" im vergangenen Jahrhundert. Eine Dampfmaschine<br />

betrieb die Webstühle innerhalb des Hauses, das zugleich alle dort Arbeitenden mit<br />

Wohnraum versorgte. Im Arbeitsbereich verwoben die Männer das Garn, das in den<br />

Wohnstuben von Frauen und Kindern gehaspelt worden war. Es war ein segensreicher<br />

Kreislauf für den „Erfinder". Das System schloss aus, dass sich die Beteiligten auch nur<br />

für wenige Augenblicke aus dem Produktionskarussell ausklinken konnten. Die Frage<br />

nach Ausnutzung, ja Ausbeutung muss gestellt werden. Kinderarbeit, und auch das haben<br />

wir vergessen, war in dieser Zeit noch an der Tagesordnung.<br />

Aus dem Lehnstuhl unserer mit Fernsehen versorgten Abende lassen wir uns heute nur<br />

schwer in eine solche Zeit versetzen. Die Auseinandersetzung mit der Gründungszeit der<br />

Gesellenvereine Kolpings verlangt Mut. Mut und Bereitschaft, eine Zeit Revue passieren<br />

zu lassen, in der es kaum möglich war, aufzumucken oder gar zu demonstrieren.<br />

Recht und Gesetz sorgten in preußischer Ordnung dafür, dass sich Arbeiter- und<br />

Handwerkerschaft - bitteschön - auch nicht zu sehr ins Zeug legen konnten. Eine Zeit,<br />

in der christlich geprägte Sozialverantwortung in den Personen Kolpings, Bischof Kettelers<br />

sowie den Begründern der Vinzenzkonferenz und vielen anderen deutlich wurde.<br />

Sie wollten den Menschen ändern, ihn durch den Glauben für die Anforderungen der<br />

Zeit stärken. Eine Zeit auch, in der Marx und Engels, aus denselben Quellen des politischen<br />

Umfeldes schöpfend, sich den Marxismus als Lösungsmöglichkeit und Perspektive<br />

für die Arbeiterschaft erdachten.<br />

Mit Beginn der 60er Jahre vollzog sich im Schwelm des 19. Jahrhunderts ein großer<br />

Wandel, den James Watt 1769 mit der Erfindung der Dampfmaschine eingeleitet hatte.<br />

Waren bis 1840 in unserem Gebiet noch keine Dampfmaschinen vorhanden und aufgestellt<br />

worden, so schien durch den Einzug der Maschinen in das Gebiet zwischen Wupper und<br />

Ruhr der Wunsch nach geregeltem Einkommen, Arbeit für die vielen Zuwanderer und<br />

Brot für die hungrigen Mäuler, die es zu stopfen galt, in Erfüllung zu gehen.<br />

Im traditionellen Land der Bleicher und Weber, das dank eines gut organisierten Geschäftsgebarens<br />

der „Verleger" zu Rang und Ansehen gekommen war, hatten sich die<br />

Einwohnerzahlen im Zuge der Industrialisierung vervielfacht. Alle hatten den Willen, mit<br />

den Segnungen der Produktionsmöglichkeiten die Existenz zu sichern. Der Pauperismus,<br />

die große Armut und das Elend der 40er Jahre, sollte einem Fortschrittsglauben weichen,<br />

der sein Heil in der Zuwendung zu den neuen Verdienstmöglichkeiten suchte. Die<br />

Zuwanderungen aus den armen Regionen stiegen nicht nur in unserem Gebiet sprunghaft<br />

an. Die Gemeinden, oftmals total überfordert, waren der sozialen Versorgung ihrer<br />

Bevölkerung nicht mehr gewachsen: Das Netz sozialer Sicherung, wie wir es heute kennen,<br />

bestand nur aus einem einzigen Strang - der Arbeitskraft des Einzelnen.<br />

Die Wanderburschen, von jeher ein Potential handwerklichen Vermögens und großer<br />

Schaffenskraft, hatten unter einem Aspekt des damaligen Systems zusätzlich zu leiden,<br />

denn das Handwerk musste sich neu formieren, da Zünfte zersprengt und aufgelöst waren.<br />

Erst eine neue Handwerksordnung gab diesem System wieder Halt. Weit weg von<br />

Familie und Heimat stellten die ledigen Gesellen, abseits romantischer Handwerks -<br />

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