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MARIEN pdf

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Wie immer waren wir zur Stelle, wie alle Tage vorher auch. Aber diesen Tag werde ich<br />

wohl nie vergessen. Schon das Abladen der Bretter barg erhebliche Hindernisse. Der<br />

außergewöhnlich heftige Sturm riss uns die Bretter fast aus der Hand und erforderte<br />

unsere ganze Kraft. Die 6 – 7 m langen Bretter konnten wir mit 2 Mann nur mühsam<br />

festhalten, geschweige denn „mal eben so“ in die Kirche bringen. Nachdem wir mehrere<br />

Bretter in der Kirche aufgestapelt hatten, stellten wir fest, dass immer mehr kleinere und<br />

größere Stücke Putz und Steine vom Gewölbe herunterfielen. Das ließ uns stutzig werden,<br />

und mein Freund Bernhard sagte: „Irgendetwas ist hier nicht normal!“<br />

Indem wir zur Decke schauten, gab es auf einmal einen heftigen dumpfen Knall. Die<br />

ganze Kirche zitterte. Wir sahen noch, wie sich das Gewölbe löste und mit einem unheimlichen<br />

Getöse nach unten stürzte. Mit dem Aufschrei allergrößter Angst konnten wir<br />

gerade noch mit zwei Sprüngen den Seitenausgang der Kirche erreichen, bevor hinter<br />

uns das vordere Gewölbe in das Kirchenschiff stürzte und die Kirchenbänke unter sich<br />

begrub. Wie sich sehr bald herausstellte, war die Giebelwand umgestürzt und hatte das<br />

Gewölbe mit in die Tiefe gerissen. Wären wir 2 – 3m weiter im Innenraum der Kirche gewesen,<br />

hätten uns die Steinmassen erschlagen.<br />

Der Schreck steckte uns so tief in den Knochen, dass wir in späteren Jahren beim Besuch<br />

des Gottesdienstes noch angstvoll zu der dann fertig gestellten Decke schauten.“<br />

Die folgenden Chronikeintragungen berichten weiter:<br />

„Nun wurde auch dem letzten Optimisten von uns klar, dass eine Erhaltung des Gewölbes<br />

über dem Kirchenschiff wohl kaum mehr möglich war. So gingen die freiwilligen<br />

Handwerker aus der Gemeinde alsbald daran, trotz des einbrechenden Winters, den<br />

Giebel wieder aufzubauen, um das Gewölbe über dem Chor und dem dort noch erhaltenen<br />

neuen Marmoraltar durch ein schützendes Dach zu retten. Sie schafften es auch<br />

noch, im Januar 1946 über Chorraum und Sakristei ein Dach zu errichten. Zusätzlich<br />

stellten sie auch noch das Dach des Zwiebeltürmchens mit einem kleinem Glockenstuhl<br />

an der Sakristei fertig, in das sie die seiner Zeit von der Freifrau von Hövel gestiftete<br />

nicht zerstörte Turmuhrglocke von 1722 aus Schloss Martfeld aufhängten. 6 Jahre lang<br />

rief diese Glocke dann die Gläubigen zur Andacht und zur Messe.“<br />

Als nach Schnee und Frostwetter das erste Tauwetter einsetzte, fingen die restlichen<br />

Gewölbe im Kirchenschiff eines nach dem anderen an einzustürzen. Man konnte die<br />

Ruine nicht mehr ungefährdet betreten. Das letzte Bildnis, was wie ein klagendes Mahnmal<br />

der grausigen Kriegsverwüstungen noch im Kirchenraum stand, trugen wir gegen<br />

Mittag des 15. 2. 1946 mit Ergriffenheit unter dem stummen Staunen der vorbeigehenden<br />

Passanten hinaus an einen schützenden Ort. Und wieder einmal hatten die Helfer<br />

und Bauarbeiter riesiges Glück: Es war noch keine Stunde vergangen, als auch der Rest<br />

des noch vorhandenen Gewölbes einstürzte und krachend zu Boden fiel.<br />

Vom ganzen Gewölbe standen jetzt nur noch die Ziegelstein-Bögen, die wie bei alten<br />

Klosterruinen zum Himmel empor zeigten. Da nun akute Einsturz- und Lebensgefahr<br />

bestand, wurde auch der Rest abgerissen. Hier war die freiwillige Feuerwehr hilfreich,<br />

die aus dem Abriss eine Übung mit 30 Feuerwehrleuten machte. So standen dann bald<br />

von unserer zuvor so schmucken Marienkirche nur noch die 4 Umfassungsmauern. Alle<br />

Eile und bestmöglicher gute Wille hatten die Kirche nicht retten können. Viele Stunden<br />

Einsatz waren umsonst gewesen.<br />

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