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Gewaltdelinquenz – Lange Freiheitsentziehung – Delinquenzverläufe

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Nadine Bals<br />

strafjustiziellen Ebene <strong>–</strong> nicht weit her ist: Eine Strafverfolgung findet in<br />

diesen Fällen kaum statt, 80 % bis 95 % der Verfahren betreffend häusliche<br />

Gewalt werden eingestellt <strong>–</strong> und dies ganz überwiegend folgenlos, also ohne<br />

Auflagen oder Weisungen (Leuze-Mohr 2001: 205, WiBIG 2004b: 223, Mönig<br />

2007: 88). Diese Rechtspraxis mag man nun kritisieren, jedoch ist zu<br />

konstatieren, dass das Strafrecht in Fällen häuslicher Gewalt an seine Grenzen<br />

stößt: Traditionelle Sanktionen wie Geld- oder Freiheitsstrafen treffen<br />

das Opfer häuslicher Gewalt nicht selten unmittelbar mit und dürften im<br />

Hinblick auf die Rückfallvermeidung wenig sinnvoll sein (BMFSFJ 2004:<br />

24, Beulke & Theerkorn 1995: 475, Ford 2003: 678, Velten 2003: 20). Darüber<br />

hinaus zeigen Studien, dass Opfern häuslicher Gewalt an einer Strafverfolgung<br />

bzw. Sanktionierung des Täters selten gelegen ist. Bei Einschalten<br />

der Polizei erhoffen sie sich eher helfende und selten strafende Reaktionen<br />

(Belknap et al. 2001, Erez & Belknap 1998, Hare 2006, Peled et al. 2000,<br />

WiBIG 2004a: 187f., 2004b: 213).<br />

Die Liste der Kritikpunkte gegen die Anwendung des TOA in Fällen häuslicher<br />

Gewalt ließe sich noch weiterführen, aus Platzgründen soll auf die entsprechenden<br />

Einwände jedoch nicht weiter eingegangen werden (vgl. für<br />

eine vertiefende Auseinandersetzung Bals 2010). Deutlich wird an den Bedenken<br />

insbesondere feministisch geprägter Autoren grundsätzlich vor allem<br />

zweierlei: Zum einen zeigt sich, dass eine profunde Auseinandersetzung mit<br />

der Konzeption, den Grundsätzen und der praktischen Durchführung des<br />

TOA <strong>–</strong> nicht nur in Fällen häuslicher Gewalt <strong>–</strong> offensichtlich selten stattfindet.<br />

5 Zum anderen wird eine äußerst eindimensionale Sicht auf das Phänomen<br />

häusliche Gewalt deutlich: Die Kritiker beziehen sich offensichtlich<br />

ausschließlich auf solche Fälle häuslicher Gewalt, die durch zunehmende<br />

und massive Anwendung körperlicher und sexueller Gewalt geprägt sind<br />

und sie gehen vom hilf- und hoffungslosen, vom resignierten Opfer häuslicher<br />

Gewalt aus. Dass diese Sichtweise allerdings nicht gerechtfertigt ist,<br />

zeigen insbesondere angloamerikanische Studien. Danach ist es verfehlt,<br />

pauschal von der häuslichen Gewalt zu sprechen, vielmehr ist zwischen verschiedenen<br />

Konstellationen häuslicher Gewalt zu differenzieren. Während es<br />

sich in einem Teil der Fälle um solche mit zunehmend massiver Anwendung<br />

psychischer, sexueller und physischer Gewalt durch Täter handelt, die durch<br />

hohe Impulsivität, psychopathologische Auffälligkeiten und weitere Risiko-<br />

5 So irrt Velten beispielsweise, wenn sie anführt, es gehe beim TOA ausdrücklich darum,<br />

„beim Opfer [...] Verständnis für den Täter zu wecken, seine Rolle in dem Konflikt,<br />

insbesondere eine eventuelle Mitschuld aufzuspüren und auf diese Weise zur<br />

Vermeidung späterer gleich gelagerter Konflikte beizutragen.“ (Velten 2003: 53).

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