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Gewaltdelinquenz – Lange Freiheitsentziehung – Delinquenzverläufe

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Frieder Dünkel<br />

Betrachtet man die Entwicklung der Gefangenenraten in Deutschland im<br />

internationalen Vergleich, so liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld<br />

mit einer <strong>–</strong> jenseits kleinerer Schwankungen <strong>–</strong> auffälligen Stabilität. Dies<br />

kann mit politikwissenschaftlichen und sozialstrukturellen Faktoren, wie sie<br />

Lappi-Seppälä (2007; 2010) aufzeigt, in plausiblen Zusammenhang gebracht<br />

werden. In Deutschland hat es bei den sozialen Indikatoren (Arbeitslosigkeit,<br />

relative Armut etc.) ebenso wie bei den Vertrauenswerten in die Legitimität<br />

des politischen Systems insbesondere in den 1990er zwar negative Veränderungen<br />

gegeben, die man in Zusammenhang mit den steigenden Gefangenenraten<br />

sehen könnte, jedoch dominiert auch hier der Eindruck einer relativen<br />

Stabilität und in jüngster Zeit (Beispiel Arbeitslosigkeit) der Entspannung.<br />

Das politische System eines auf dem Verhältniswahlrecht basierenden<br />

Parteiensystems hat zu rechtspolitisch moderaten Verhältnissen beigetragen.<br />

Koalitionsregierungen verhindern massive Ausschläge in die eine oder andere<br />

Richtung und moderieren damit eine in anderen, insbesondere angelsächsischen<br />

Ländern zu beobachtende stärker repressive Trendwende in der<br />

Kriminalpolitik (vgl. hierzu mit vergleichenden Hinweisen auf die deutsche<br />

Entwicklung Lacey 2008). Das Beispiel der nachträglichen Sicherungsverwahrung<br />

kann dies verdeutlichen. Durch Kompromisse der Koalitionsregierungen<br />

wurden letztlich so eng gefasste Regelungen geschaffen, dass die<br />

Anwendung auf wenige Einzelfälle begrenzt geblieben ist. Einen spezifisch<br />

moderierenden Effekt dürfte hierbei die obergerichtliche, insbesondere<br />

verfassungsrechtliche Rechtsprechung haben. Dies kann man als das eigentliche<br />

Markenzeichen deutscher Rechtspolitik bezeichnen. Die Rspr. des<br />

BVerfG zur Resozialisierung im Strafvollzug hat nicht nur einen humanen<br />

Strafvollzug befördert, sondern auch im Sanktionenrecht und in der Strafzumessung<br />

dazu beigetragen, eine vergleichsweise moderate Praxis zu bewahren.<br />

Dieser „Stabilisierungsfaktor“ dürfte in Europa relativ einzigartig sein.<br />

Literatur<br />

Bundesministerium des Innern, Bundesministerium der Justiz (2006) (Hrsg.): Zweiter Periodischer<br />

Sicherheitsbericht. Berlin: BMI/BMJ (auch im Internet veröffentlicht unter:<br />

www.BMI.de/Berichte)<br />

Böhm, A., Erhard, C. (1988): Strafrestaussetzung und Legalbewährung. Wiesbaden: Justizministerium<br />

Hessen.<br />

Cornel, H. (2002): Klarstellung oder Verschärfung der Bedingungen zur Strafrestaussetzung<br />

zur Bewährung. MschrKrim 85, S. 424-438.<br />

Dessecker, A. (2005): Die Überlastung des Maßregelvollzugs, Neue Kriminalpolitik 17, S. 23-<br />

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