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Gewaltdelinquenz – Lange Freiheitsentziehung – Delinquenzverläufe

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Frieder Dünkel<br />

200 in den 1980er Jahren auf gegenwärtig nahezu 800 (30.6.2008: 760), womit<br />

die USA den ersten Platz in der Liste von Staaten mit hohen Gefangenenraten<br />

belegen (vgl. zum jeweils aktuellen Überblick die Daten des Kings<br />

College London sowie von EUROSTAT). England/Wales, Spanien und die<br />

Niederlande sind <strong>–</strong> ausgehend von einem erheblich niedrigeren Niveau die<br />

für Europa zu nennenden Sündenfälle, wenngleich jeweils spezifische und in<br />

bestimmten historischen Phasen unterschiedliche Ursachen diese Entwicklungen<br />

erklärbar machen (vgl. Dünkel u. a. 2010). Hierauf wird unten noch<br />

näher eingegangen.<br />

The „New Punitiveness“ (Pratt u. a. 2005) oder die „Neue Lust am Strafen“<br />

(Liedke/Robert 2004; von Hofer 2004) sind daher zu einem zentralen Thema<br />

der kritischen Kriminologie geworden (vgl. Sack 2004, 39 f., u. a. unter Bezugnahme<br />

auf Hassemer). Im vorliegenden Beitrag geht es nicht um das<br />

Konzept der „Punitivität“ gemessen über das Strafbedürfnis der Bevölkerung,<br />

obwohl ein Zusammenhang zwischen Strafbedürfnissen der Bevölkerung<br />

und justizieller Reaktion auf Kriminalität nicht zu leugnen ist, zumal<br />

wenn eine entsprechende mediale Aufbereitung des Themas erfolgt. Nachfolgend<br />

geht es vielmehr um die Frage, ob und inwieweit die Sanktionspraxis<br />

sich verschärft hat.<br />

Gefangenenraten (GR) sind in diesem Kontext nur ein Indikator und für sich<br />

genommen nur eingeschränkt zur Beschreibung des Phänomens „Punitivität“<br />

verwendbar. Dies zeigt sich schon an dem weiteren Indikator, der in diesem<br />

Kontext eine Rolle spielt: Die Inhaftierungsrate beschreibt den Anteil der<br />

Bevölkerung, der jährlich in irgendeine Form der <strong>Freiheitsentziehung</strong> genommen<br />

wird (Untersuchungs-, Strafhaft, Maßregelvollzug etc.). Das Risiko,<br />

überhaupt Freiheitsentzug erdulden zu müssen, kann man gleichfalls als<br />

Merkmal der Punitivität einer Gesellschaft heranziehen. Es ist in Europa<br />

ebenfalls ungleich verteilt. Das „Ranking“ von mehr zu weniger Punitivität<br />

in diesem Sinne fällt teilweise anders aus als die Rankingliste der GR. GR<br />

sind das Produkt von Inhaftierungsraten (IR) und der durchschnittlichen<br />

Dauer des Aufenthalts im Vollzug. So kam Deutschland 2009 bei einer<br />

stichtagsbezogenen Gefangenenrate von 90 auf eine Inhaftierungsrate von<br />

149 (bezogen auf das Jahr 2005, neuere Daten liegen bei SPACE nicht vor),<br />

während z. B. Dänemark und Irland bei Inhaftierungsraten von 340 bzw. 259<br />

auf Gefangenenraten von lediglich 66 bzw. 85 kamen, weil die durchschnittliche<br />

Verweildauer im Vollzug sehr viel geringer ist als in Deutschland.<br />

Für Russland deutet sich auch in dieser Hinsicht eine exzeptionell<br />

repressive Kriminalpolitik und -praxis an (GR: 618; IR: 478). „Spitzenreiter“

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