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Gewaltdelinquenz – Lange Freiheitsentziehung – Delinquenzverläufe

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Kriminelle Identitätskonstruktionen 497<br />

4.3 Verweigerung gesellschaftlicher Integration<br />

Folge der Abwertung ist, dass die eigene Person von der verachteten Gesellschaft<br />

und den zugeschriebenen Mentalitäten ihrer Mitglieder abgegrenzt<br />

werden muss, um einer assoziierten Identitätstransformation, die eine Integration<br />

aus Sicht der jungen Männer unausweichlich mit sich bringt, präventiv<br />

auszuweichen. Gesellschaftliche Integration ist folglich kein Handlungsziel,<br />

sondern wird darüber hinaus als „Zombie-“ oder „Sklavendasein“ im<br />

Sinne einer totalitären Fremdbestimmung ausgelegt, was die Relevanz individueller<br />

Autonomie verdeutlicht.<br />

Das vorgetragene Leitprinzip einer Authentizität und Aufrichtigkeit verhilft<br />

gegenüber sich selbst wie auch gegenüber der sozialen Umgebung dazu, destruktiv<br />

ausgerichtetes Verhalten als menschliches Essential zu legitimieren,<br />

was paradoxerweise aber das latente Bestreben offenbart, den Status des<br />

Außenseiters abzulegen und indirekt Integration zu bewerkstelligen; gleichwohl<br />

mit exkludierenden Mitteln. Ergänzend kann - wie schon angedeutet -<br />

auch der Konflikt mit Instanzen sozialer Kontrolle und insbesondere die<br />

Konfrontation mit einem Strafverfahren eine weitere Möglichkeit von Inklusion<br />

in das gesellschaftliche System vermitteln und parallel dazu identitätsstabilisierend<br />

wirken, d.h. als Bestätigung und Verfestigung der kriminellen<br />

Identitätskonstruktion. Diese offensiv artikulierte und bisweilen demonstrierte<br />

Verweigerungshaltung gesellschaftlicher Integration führt somit wiederum<br />

zur Identitätsstabilisierung, was resozialisierende Einflüsse obsolet<br />

werden lässt. Gleichzeitig wird rigoros Achtung, Menschlichkeit und humanitäre<br />

Solidarität im Sinne von altruistischer Hilfe eingefordert, aber nicht<br />

erfahren, was die von der Gesellschaft ausgehende Missachtung präsent werden<br />

lässt. In dem Einfordern menschlicher Würde und Achtung der eigenen<br />

Person im gesellschaftlichen System ist also die Fortsetzung zu lokalisieren,<br />

indem ein biographischer Anerkennungskampf entlang einer empfundenen<br />

Missachtung gegenüber der eigenen Werthaftigkeit kontinuierlich im jeweiligen<br />

sozialen Kontext fortgeführt wird und die Lebenswelt insgesamt durchzieht.<br />

Es sei nur kurz angedeutet, dass die „Authentizität“, verbunden mit eigener<br />

Destruktivität und mitmenschlicher Abwertung, nicht nur gegenwärtig als<br />

Leitprinzip fungiert, sondern prospektiv ausgerichtet wird und die menschliche<br />

Fähigkeit, sich und sein Leben zu jedem Zeitpunkt einer Veränderung<br />

unterziehen zu können, kategorisch ausschließt. Dass hiermit gleichzeitig die<br />

Bereitstellung eines hohen Legitimationspotentials erfolgt, ist offenkundig;<br />

das Subjekt unterliegt den eigenen Zwängen aufgrund einer „Loyalität ge-

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