09.12.2012 Aufrufe

Gewaltdelinquenz – Lange Freiheitsentziehung – Delinquenzverläufe

Gewaltdelinquenz – Lange Freiheitsentziehung – Delinquenzverläufe

Gewaltdelinquenz – Lange Freiheitsentziehung – Delinquenzverläufe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Reform der Sicherungsverwahrung 375<br />

rechtsstaatlich bedenklichen Schritt weiter: In der Einsicht, dass eben doch<br />

schon im Ausgangsurteil rückfallprognoserelevante Umstände erkennbar<br />

sein oder hätten erkannt werden können, soll das Kriterium „erheblicher<br />

neuer“ Tatsachen („nova“) verzichtbar sein. Gleichwohl knüpft man nicht an<br />

einen SV-Vorbehalt im Urteil, vermeintlich, um die weitere Entwicklung des<br />

jungen Verurteilten nicht zu belasten. 19 Dabei wird zweierlei verkannt: Zum<br />

einen sind „neue Tatsachen“ Wesenselement für die verfassungsrechtliche<br />

Vereinbarkeit einer nSV. Der BGH postuliert einen „Vorrang des Erkenntnisverfahrens“;<br />

20 danach scheidet nSV aus, wenn die Anordnung der SV im<br />

Urteil unterblieben ist, weil sonst die Rechtskraft, der Vertrauenstatbestand,<br />

missachtet würden. Das BVerfG misst für die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit<br />

der nSV offenkundig große Bedeutung dem Kriterium zu, dass<br />

erhebliche „neue Tatsachen“ vorliegen, die „in einem prognoserelevanten<br />

symptomatischen Zusammenhang mit der Anlassverurteilung stehen“. 21 Der<br />

Verzicht auf diese „nova“ böte also eine zusätzliche verfassungsrechtliche<br />

Angreifbarkeit der Neuregelung. Zum anderen entfalten auch „f.V.nSV“ wie<br />

dargestellt erhebliche stigmatisierende, behandlungsstörende und bürokratische<br />

Belastungen schon mit Beginn des Strafvollzugs. 22<br />

2.6 Mangelnde empirische Grundlegung<br />

Die Entwurfsbegründung zum Gesetz über die Ausweitung der nSV auf nach<br />

Jugendstrafrecht Verurteilte hat nicht erkennen lassen, welche kriminologischen<br />

Erkenntnisse vorliegen über Art und Ausmaß Betroffener. Praktische<br />

Fälle, in denen eine frühere Regelung nach Art der jetzt beschlossenen<br />

anwendbar gewesen wäre und Rückfälle verhindert hätte, werden nicht nach-<br />

galbewährung gefährlicher Rückfalltäter, 2009 (im Druck), bemerkt dazu: „Tatsächlich<br />

dürfte in den meisten Fällen für die Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung<br />

das Bedürfnis nach einer Korrektur des (möglicherweise fehlerhaften) Ausgangsurteils<br />

im Vordergrund stehen, das im Wesentlichen nicht aus einer geänderten Tatsachengrundlage,<br />

sondern daraus resultiert, dass jedenfalls in den 90er Jahren in vielen Fällen<br />

trotz des Vorliegens der formellen Voraussetzungen von den erkennenden Gerichten<br />

nicht einmal geprüft oder nicht angeordnet wurde.“<br />

19 Gesetzentwurf (o. Fn. 3 S. 7).<br />

20 Zuletzt BGH NStZ 2008 S. 332.<br />

21 BVerfG, NJW 2004 S. 737 ff.<br />

22 Ullenbruch, T., kritisiert das deswegen in seiner Stellungnahme im Rechtsausschuss (o.<br />

Fn. 3 S. 48 ff., 53f.) als trickreichen „stillen Vorbehalt durch Gesetz“.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!