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Gewaltdelinquenz – Lange Freiheitsentziehung – Delinquenzverläufe

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Frieder Dünkel<br />

hierzu Tabelle 4 und 5) <strong>–</strong> resultiert der Anstieg der Gefängnisbelegung. Die<br />

tatsächliche Haftdauer könnte sich allerdings auch durch eine restriktivere<br />

Entlassungspraxis gem. §§ 57, 57a StGB, 88 JGG verlängert haben (s. u. 5.).<br />

Generelle Daten zur Verurteilungspraxis einschließlich der Diversion (vgl.<br />

§§ 153 ff. StPO), die inzwischen mehr als die Hälfte aller anklagefähigen<br />

Delikte betrifft, finden sich bei Heinz 2008. Daraus ergibt sich im Erwachsenenstrafrecht<br />

in den alten Bundesländern ein Anstieg der Diversionsrate von<br />

34 % im Jahr 1981 auf 53 % im Jahr 2006, im Jugendstrafrecht im gleichen<br />

Zeitraum von 41 % auf 68 % (unter Einschluss der neuen Bundesländer auf<br />

69 %).<br />

Nimmt man die informellen und formellen Verfahrenserledigungen zusammen,<br />

so wird aus den Analysen von Heinz deutlich, dass auch insoweit der<br />

Anteil kurzer Freiheitsstrafen von bis zu 6 Monaten von knapp 6 % auf 3 %<br />

zurückging, derjenige von 6-12 Monaten von knapp 5 % auf 4 %, während<br />

derjenige von mehr als 12 Monaten bis zu 24 Monaten von 1 % auf 1,5 %<br />

und derjenige von mehr als zwei Jahren konstant bei knapp 1 % blieb (vgl.<br />

Heinz 2008, Schaubild 17).<br />

Diese Daten sprechen nicht für die These der „neuen Straflust“, sondern für<br />

eine erstaunliche Konstanz der Sanktionspraxis von Staatsanwaltschaften<br />

und Gerichten. Jedoch könnte die insgesamt lange Zeit relativ stabile und lediglich<br />

in den 1990er Jahren deutlich ansteigende Gefangenenrate mit dem<br />

aus anderen Ländern beschriebenen Phänomen der „bifurcation“ oder der<br />

„dualisation“ zu erklären sein: Einer Milderung der Sanktionspraxis bei gewaltlosen<br />

Eigentums- und Vermögensdelikten steht eine Verschärfung bei<br />

Gewalt- und Sexualdelikten, und möglicherweise auch bei Betäubungsmitteldelikten<br />

gegenüber, die insgesamt die Gefangenenrate relativ stabil belässt,<br />

jedoch zu einer andersartigen Zusammensetzung der Vollzugspopulation<br />

führt. In der Tat kann man derartige Veränderungen der Insassenstruktur<br />

des Strafvollzugs in Deutschland feststellen (vgl. Dünkel/Geng/Morgenstern<br />

2010). Daher erscheint es notwendig, die Strafzumessungspraxis der Gerichte<br />

deliktsspezifisch zu betrachten. Dabei muss man sich darüber im Klaren<br />

sein, dass valide Aussagen nur durch differenzierte Aktenanalysen möglich<br />

sind, wie sie beispielsweise von Suhling und Schott im Vergleich von Niedersachsen<br />

und Schleswig-Holstein vorgenommen wurden (vgl. Suhling/<br />

Schott 2001; Schott/Suhling, u. a. 2004 und unten).

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