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Gewaltdelinquenz – Lange Freiheitsentziehung – Delinquenzverläufe

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Der lange Weg in die Sicherungsverwahrung 341<br />

Gewaltverhalten, dem „Klima“ in seiner Herkunftsfamilie oder seinem<br />

sexualbezogenen Wissensstand und Normenverständnis. Zudem werden in<br />

den wenigsten Fällen Angaben des Täters zu seiner Biographie nachermittelt.<br />

Das hat nicht nur Informationsausfälle zur Folge, sondern stellt Merkmale<br />

aus der Kindheit darüber hinaus unter den Vorbehalt eines entsprechenden<br />

Erinnerungsvermögens. So gaben Täter öfters an, dass ihre Familie „mit<br />

dem Jugendamt“ zu tun hatte, weil er <strong>–</strong> der Täter <strong>–</strong> „schwierig“ gewesen sei.<br />

Ob dem tatsächlich so war (oder ob es andere Gründe gab) und wenn, was<br />

dann „schwierig“ bedeutet, blieb in der Regel offen; das im Übrigen auch in<br />

Begutachtungsfällen.<br />

Es bleiben zwei grundlegende Eindrücke: Erstens sollen Urteilsgründe<br />

„glatt“ sein, Widersprüche und Umbrüche werden vielfach ausgeblendet. Ob<br />

das den Sinn hat, Urteile rechtsmittelsicher zu machen, oder ob es der<br />

menschlichen Mentalität entspricht, vermeintlich Widersinniges (auch im<br />

Leben eines Menschen) zu „glätten“, muss hier dahinstehen. Zweitens werden<br />

Täterbiographien <strong>–</strong> wertet man Akten zu mehreren Verfahren eines Probanden<br />

aus <strong>–</strong> mit der Zeit immer mehr gerafft, so dass wichtige Details verloren<br />

gehen. Ob damit angesichts eines notwendigerweise länger werdenden<br />

Lebenslaufs die o. g. „Aufblähung“ verhindert werden soll oder ob dies der<br />

Ansicht geschuldet ist, dass etwa die Herkunftsfamilie mit zunehmendem<br />

zeitlichem Abstand immer unbedeutender wird, lässt sich nicht beantworten.<br />

Sicher ist jedoch, dass gerade solche Informationen „auf der Strecke“ bleiben,<br />

die wohl nicht für die anstehende Strafzumessung, aber für künftige<br />

Entscheidungen und Maßnahmen bedeutsam sein können.<br />

Um das an einem realen Beispiel zu verdeutlichen: Laut dem ersten analysierten<br />

Urteil war A unter ärmlichen Verhältnissen mit sechs Personen in<br />

zwei Zimmern aufgewachsen. Sein Vater arbeitete eher sporadisch, mit der<br />

Kindererziehung waren die Eltern überfordert, weswegen das Jugendamt<br />

eingreifen musste. Im folgenden Urteil liest es sich so: „wirtschaftlich beengte,<br />

aber familiär geordnete Verhältnisse“. In den Gründen jenes Urteils,<br />

das 1999 zur Anordnung von Sicherungsverwahrung führte <strong>–</strong> A war noch<br />

keine 30 Jahre alt <strong>–</strong> bleibt zur Herkunftsfamilie: „A wuchs mit seinen<br />

Geschwistern im Elternhaus auf. Sein Vater arbeitete als Lackierer.“ 17<br />

17 Die erste Akte war in den folgenden Verfahren jeweils beigezogen worden.

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