11.07.2015 Aufrufe

Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

103zwischen Leben und Tod, die der Mutterinstinkt herstellt, lässt an die von Bachofenaufgestellten Thesen denken: laut dem Forscher spiegelt „das Gesetz des demetrischenMutterthums“ „das Wechselverhältnis von Tod und Leben“ (B. S. XV). 255Die körperliche Komponente des Mutterinstinktes lässt ihn als einen von der Naturgegebenen Trieb charakterisieren, die Verbindung zwischen Mutter und Kind scheintebenfalls <strong>im</strong> Bachofenschen Sinne eine stoffliche Grundlage zu haben: „Ach, der kleineJunge, dessen Leben an ihrem hing, dessen saugende Lippen ihr die süßen Schauer desmütterlichen Blutes weckten…“ (W. S. 61). Aber nicht nur in der Mutter-Kind-Beziehunglässt sich die stoffliche Prägung beobachten, denn bereits durch ihr Aussehen wirdCornelie in die Nähe der Bachofenschen erdgebundenen Mutter gerückt. Die Protagonistinwird nämlich als „jene nicht sehr große, dunkelhaarige und braunhäutige Frau“ (W. S. 620)charakterisiert. Diese Nähe betonen auch Cornelies Träume, in denen sie sich als die Erde<strong>im</strong>aginiert, sowie die Art und Weise, wie sie von ihrem Sohn wahrgenommen wird:„Die Mutter hatte <strong>im</strong> Lehnstuhl an seinem Bett gesessen […]: da war sie ihm groß,übermenschlich erschienen in ihrem braunen Kleid, auf dem die schwere goldene Ketteerglänzte; eine Götterfrau, hatte er irre gedacht, ein braunes Gebirge, in das ichhineinwandern werde, um unterzugehen …“ (S. 983)Cornelies Zugehörigkeit zur Erde bestätigen sowohl das sich wiederholende Epitheton„braun“ als auch der Vergleich mit dem „Gebirge.“ Es lässt sich hier ebenfalls eineÄhnlichkeit mit dem Topos der Großen Mutter verzeichnen, den Bachofen wie S<strong>im</strong>mel alsein ambivalentes Phänomen beschreiben: Cornelie wird von ihrem Sohn als eine mächtige„Götterfrau“ <strong>im</strong>aginiert, die, was markant ist, nicht nur als eine lebenspendende, sondernauch als eine zerstörerische Macht figurieren kann – in sie „hinein[zu]wandern“ bedeutet„unterzugehen.“ 256Wichtiger als diese stoffliche Komponente des Mutterinstinktes sowie daserdenähnliche Erscheinungsbild Cornelies scheint die ‚veredelte’ Gestalt desMutterinstinktes, die Mutterliebe, zu sein: „Ihre [Cornelies – N. N.] Liebe war dunkle Glutund Stille, inbrünstige Sehnsucht, das Geliebte zu umschließen, zu hegen, zu nähren:255 Siehe mehr dazu <strong>im</strong> Kapitel zu Bachofen.256 Barbara Vinken gibt zu bedenken, dass diese hier von <strong>Ina</strong> Seidel verwendete Metaphorik eine eindeutigeerotische Prägung habe und den Inzestcharakter des Mutter-Sohn-Verhältnisses andeute. Siehe mehr dazu:Barbara Vinken: Inzest und totaler Krieg. <strong>Ina</strong> <strong>Seidels</strong> politische Romantik und der Nationalsozialismus. In:Petra Leutner (Hrsg.): Das verortete Geschlecht. Literarische Räume sexueller und kultureller Differenz.Tübingen 2003, S. 175-184.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!