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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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211lässt – auch wenn die Heiligkeit ihr vorbest<strong>im</strong>mt zu sein scheint; denn bereits als Kindverfügt Fina, wie gesagt, über wunderbare Eigenschaften:„Mehr als das Stumme, das Stille, das Schweigende aber liebte sie die Tiere: denn derenHaut war warm, deren Odem feucht, deren Augen blickten. Und sie liebte vor allem dieVögel, die zu ihr kamen und sich nicht vor ihr fürchteten. Sie öffnete ihr Gewand, und einVöglein nahm sie, und seine flaumige hielt sie zart an die eigene, bräunliche, bebendeBrust.“ (I. S. 139)Sie scheint sich aber ihrer besonderen Prädestinierung zunächst nicht bewusst zu sein. Innaiver Verbundenheit mit der Natur lebt sie in den Bergen, vom wirklichen Lebenabgeschieden. Einen Umbruch in ihrer Existenz führt das Erlebnis mit einem Hirtenknabenherbei: während der Knabe auf den gemeinsamen Kuss mit Lachen reagiert und sich vonFina entfernt, „[blieb aber Fina], und auf die Grasnarbe drückte sie schauernd denglühenden Mund.“ (I. S. 141) Dass Fina in der Folge ihre He<strong>im</strong>at verlässt und in „dembraunen Kittel der Hirtin, der zum Kittel der Pilgerin ward“ (I. S. 141), in die Welthinauszieht, lässt sich als eine Voraussage ihrer Ablehnung des Erotischen lesen. DieseSchlussfolgerung wird schon bald bestätigt: obwohl sich Fina für eine Weile bei einemMann aufhält, für welchen sie tanzt, verlässt sie auch ihn und setzt ihre Pilgerung fort:„Als der Mond wieder schmal war, legte Fina die silbernen Gewänder ab, die Mario ihrgegeben hatte, und tat ihren braunen Kittel um. Und Mario küßte ihr die Hände und sprach:‘Du kehrst nie wieder’. Und Fina ging in die Welt, und ihr Herz war gelöst, und sie leuchtetevon ihm, und wer sie gehen sah, der folgte ihr, und wen sie ansah, der lächelte, und wen sieberührte, verfiel ihr. Und die Jünglinge kamen und dienten ihr.“ (I. S. 142)Dass Fina ihre „silbernen Gewänder“ ablegt und wieder den „brauen Kittel“ anlegt,suggeriert ihre Abwendung von dem Materiellen und Weltlichen. Der endgültige Brucherfolgt freilich in dem Moment, als Fina einen sie begehrenden Jüngling von sich stößt.Man könnte annehmen, dass sie ihre jungfräuliche Würde auf jeden Fall bewahren wolle:ihre Entscheidung treibt jedoch den unglücklichen Jüngling in den Tod.Um die innere Ruhe zu gewinnen und um sich ihrer Best<strong>im</strong>mung klar zu werden, zieht sichdie Protagonistin in die Abgeschiedenheit der Berge zurück, wo sie den rätselhaftenWanderer trifft:

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