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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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250radikalen Umbau der Geschlechterverhältnisse kann für die Autorin nicht als Vorbildgelten.In diesem Sinne lässt sich die Kritik <strong>Seidels</strong> an den typisch angelegten Frauen –Delphine, Melitta, Loulou – lesen: Für die Autorin ist die von ihnen repräsentierteWeiblichkeit die Wiederspiegelung des männlichen Wunschdenkens. Frauen, die alsMischung verschiedener Weiblichkeitstypen (femme fatale, femme enfant) auftreten,werden von Seidel nicht als wirkliche Frauen, sondern eben als Bilder der Weiblichkeitvorgeführt, die der männlichen Phantasie entsprungen sind. Delphine aus demWunschkind, der Gegenpol Cornelies, versinnbildlicht eine Frau, wie sie sich die Männerwünschen und in ihren literarischen Texten verewigen. Solche Weiblichkeit zur Heldin zuerheben, würde folglich nur eine Verfestigung des patriarchalischen Bewusstseins und eineVerfälschung des wahren Weiblichen bewirken; deshalb wird jene ‘delphinenartige‘Weiblichkeit meist negativ bewertet.Frauen wie Delphine, aber auch Loulou, Tatjana, Andrea oder teilweise Renée, diesich der Mütterlichkeit verweigern, also das typisch Weibliche nicht entwickeln wollen,werden von Seidel einer Kritik unterzogen. Die Autorin präsentiert sie <strong>im</strong> weitesten Sinnedieses Wortes als Tänzerinnen, die sich ständig in Bewegung befinden und sich nichtfestbinden lassen. 452 Unübersehbar ist eben ihre tänzerische Leichtigkeit, die fehlendeVerwurzelung in der mütterlichen Erde. Die Ungebundenheit der Tänzerinnen bedeutetauch ihre Unfähigkeit, mit anderen Menschen eine familiäre Gemeinschaft zu bilden. Dasssie als gemeinschaftsunfähige Gestalten angelegt sind, lässt sie in um so deutlicheremKontrast zu den starken Müttern auftreten, die innerhalb der Gemeinschaft wirken undallmählich ihren Wirkungsraum ausbreiten. Der Ausschluss aus der Gemeinschaft, ihrasoziales Wesen, bedeutet demgemäß ihre tatsächliche Hilflosigkeit, die Unfähigkeit, daseigene Umfeld zu beeinflussen. Die nicht-mütterlichen Frauen werden ebenfalls häufig alsinfantil oder unreif dargestellt. Ihre Kindlichkeit ist offenbar als Ausdruck der innerenUnreife zu verstehen, eines Zustandes, den sie nicht überwinden können, weil sie <strong>im</strong>Gegensatz zu den mütterlichen Frauen entwicklungsunfähig sind.Die in der Einleitung der vorliegenden Arbeit aufgeworfene Frage nach demWeiblichkeitskonzept der Schriftstellerin lässt sich wie folgt beantworten: Das Wesen des452 Es ist frappant, dass diese Weiblichkeit sich auch mit dem Schlagwort „die moderne Bohème“beschreiben lässt – laut Georg Seidel eine Lebensweise, die <strong>Ina</strong> Seidel vermisst haben soll: „Nelly [eineFreundin <strong>Seidels</strong>, russische Emigrantin – N. N.] repräsentierte jene Art des Daseins, die <strong>Ina</strong> sich versagte, diesie aber stets verlockend fand und gerne hatte: Internationalität, Ungebundenheit, moderne Bohème. <strong>Ina</strong>konnte und wollte so nicht leben, es widersprach auch ihrer Art zu arbeiten.“ Christian Ferber (Georg Seidel):Die <strong>Seidels</strong>. (wie Anm. 63). S. 251.

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