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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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205dem Anschein der aufgegebenen äußeren Freiheit führen konnte, und er selbst hatte nichtden Zwang gefühlt, sie an sich zu binden, solange er annahm, daß sie gleich ihm einzig derArbeit und ihrer Liebe lebte.“ (V. S. 197)Und die Protagonistin bringt es selbst explizit zum Ausdruck, wie wichtig ihr dieBewegungsfreiheit ist: „’Ich ziehe Unabhängigkeit allem anderen vor’, sagte sie hart, ‚undich will sie mir selbst schaffen.’“ (V. S. 201)Diese Souveränität bedeutet dabei ebenfalls, dass die Tänzerin eine feste Bindungan einen Mann ablehnt: sie sträubt sich gegen die Eheschließung, aber auch gegen einelangfristige außereheliche Beziehung, wie sie ihre verschiedenen Liaisons suggerieren. DieInstitution der Ehe scheint für sie unzeitgemäß zu sein, was das folgende Zitat nahe legt:„Mitten in einer von ihm angefangenen Diskussion über die Unterschiede von Liebe undFreundschaft jedoch sagte sie einmal mit unvermittelter Schroffheit, daß er [Richard] aneinem längst überholten Begriff vom Wesen der Erotik leide. Dieser Begriff ist so pr<strong>im</strong>itiv,daß es eine Ahnungslosigkeit sondergleichen bedeute, ihn heutzutage zur Norm aufstellen zuwollen.“ (V. S. 197)Man könnte den Schluss ziehen, dass sich die Tänzerin für freie Verhältnisse zwischen denGeschlechtern ausspricht, wodurch sie zu einer Vertreterin der ‘neuen Ethik’ wird – einerHaltung, die von den gemäßigten Frauenrechtlerinnen strikt abgelehnt wurde. 394 Dass für<strong>Ina</strong> Seidel eine derartige Einstellung nicht die richtige ist, wurde bereits am Beispiel vonanderen Frauengestalten gezeigt, und der Fall Andreas bestätigt diese These. Andrearepräsentiert einen Weiblichkeitstypus, der von der Autorin <strong>Ina</strong> Seidel nicht befürwortetwird. Diese Annahme bestätigt bereits das Äußere Andreas. Obwohl sie schön ist, lassensich in ihrem Aussehen best<strong>im</strong>mte Unst<strong>im</strong>migkeiten verzeichnen:„Was er [Richard] bis dahin allein sah, war das Wunderbare, daß sich durch den Scheitelihres straff zurückgestrichenen dunkelblonden, nur an den Schläfen und über den Ohrengelockerten Haaren eine helle Strähne zog, silbrig und wie von der Sonne hineingelegt. Daßihr Kopf schmal und länglich, ihre Stirn sehr zart gewölbt war; daß die Nase zwischenschönen flächigen Wangen mit einer nicht unedlen Biegung stark vorsprang, das Kinndagegen unter dem vollen Munde zurückwich, so daß das Profil, wie er bei einer Wendungfeststellte, einen leise kränklichen Zug bekam. Es lag wie der Ausdruck einer Unfähigkeit in394 Vgl. das Kapitel zu Lange und Bäumer.

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