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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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89„ging von dem Antlitz der Frau […] aus, das sich in ruhiger Sammlung über die Arbeitneigte. Es war ein Licht, indem sie [Renée] sich schweben fühlte, wie die neugeboreneFrucht, wenn die abgestorbenen Blütenblätter endlich vom Sturm genommen sind.“ (R. S.18)Muriel erscheint demzufolge als rettende Kraft, die das Gute als solches zu symbolisierenscheint und ein Versprechen neuen Lebens gibt. Die unverwechselbare Aura Muriels lässtsie folglich als eine außergewöhnliche Gestalt wahrnehmen. Sie zeigt sich nicht nur als daslebenspendende Prinzip, sondern auch als ein Zentrum des Universums:„Muriel in ihrem Kleid von bastfarbener Seide erschien ihr [Renée] kraftvoller, zeitloser alsje. Sicherlich war sie der Sonne verwandt! Wieviel Monde, Planeten und Paladineumkreisten sie anbetend, lichtverlangend und wärmeheischend!“ (R. S. 95)Der Vergleich Muriels mit der Sonne betont nicht nur die besondere Stellung, die sie innehat, sondern suggeriert auch, dass sie ein Prinzip symbolisiert, das zum Leben notwendigsei. 237 Es ist hier kennzeichnend, dass die ‚weibliche’ Sonne vom Männlichen umschwärmtwird: diese Symbolik verweist anscheinend auf eine Subsumierung des Männlichen unterdas Weibliche und hebt den dominanten Charakter Muriels hervor. 238Diese Charakterisierung der weiblichen Figur legt es auch nahe, dass sie eine ArtEmanation eines ursprünglichen Phänomens ist, das ihr eine besondere Stärke verleiht.Diese Stärke Muriels liegt in ihrer Mütterlichkeit: einen solchen Schluss erlaubt dieInhaltswiedergabe der Erzählung, in welcher darauf hingewiesen wurde, dass sich Murielvon ihren Schülern die Mutter nennen lässt, aber auch das Bekenntnis Muriels, dass „diemütterliche Liebe [ihr] die Kraft gab“ (R. S. 122), sich von ihrem über alles geliebten Sohnzu trennen.237 Vgl. das Schlagwort „Sonne“ in: Władysław Kopaliński. Słownik mitów i tradycji kultury. Warszawa1985. S. 1076.238 Wie Władysław Kopaliński verweist, wird die Sonne als ein männlicher Gott in vielen Mythen verehrt(Vgl. Władysław Kopaliński. Słownik mitów i tradycji kultury. Warszawa 1985. S. 1076). Auch bei Bachofenversinnbildlicht die Sonne das männliche Prinzip. Indem also <strong>Ina</strong> Seidel die Figur Muriels mit der Sonnekonnotiert, lässt sie sie die Stellung übernehmen, die bisher der Mann bekleidet hat. Auf diese Weise rütteltsie ein wenig an der patriarchalen Ordnung, ohne sie allerdings zu sprengen. In Das große Lexikon derSymbole findet sich darüber hinaus ein Hinweis darauf, dass die Sonne sowohl das Leben, als auch den Todund die Wiedergeburt symbolisieren könne. (Vgl. Fritz Glunk: Das große Lexikon der Symbole. Bindlach1997. S. 45) Aus diesem Grunde könnte der Vergleich mit der Sonne auch die Widersprüchlichkeit Murielsbestätigen.

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