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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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104Mütterlichkeit.“ (W. S. 30) Die Mütterlichkeit erweist sich als eine geistige Haltung, einbesonders intensives Empfinden, das auf den anderen gerichtet ist. Als ein allesumfassendes, ja absolutes Gefühl, macht es für Cornelie den eigentlichen Sinn des Lebensaus:„Ach, der kleine Junge, dessen Leben an ihrem hing, dessen saugende Lippen ihr die süßenSchauer des mütterlichen Blutes weckten… Ach die Tage holden Rhythmus der Erfüllungseiner Lebensbedürfnisse […]: d a s [Hervorhebung <strong>im</strong> Original] war Wirklichkeit, warLeben […].“ (W. S. 61)Die Erfahrung des Mutterseins (in welcher sich auch hier eine körperliche, diesmalerotische Komponente bemerkbar macht 257 ) bedeutet für die Protagonistin das höchsteGlück; erst dank diesem Zustand kann sie die Selbsterfüllung finden. Markant ist dabei,dass die Verbundenheit mit dem Kind ein widersprüchliches Bild der Mutter 258 entstehenlässt. Denn auf der einen Seite scheint Cornelie die eigenen Bedürfnisse zurückzustellenund das Wohl des Kindes als das wichtigste zu betrachten, auf der anderen Seite stellt siesich selbst unübersehbar in den Vordergrund. Diese Ambivalenz mag das folgende Zitatveranschaulichen:„Dies aber, dass der Knabe so ganz in ihr wohnte und wohnen blieb, nachdem die kurzeErschütterung ihrer Verbundenheit, die seiner Entwöhnung gefolgt war, ausgebebt hatte;dies, daß für ihn alles, was er neu begriff und erfasste, von ihr durchdrungen war, von ihrerWärme, ihrer St<strong>im</strong>me, daß ihm die Welt einstweilig durch sie vermittelt wurde… Dies warder Grund, warum sie sich ausdehnen mußte und für Jahre die Wände ihrer Person aufgelöstfühlte und sich selbst wie außer dem Leibe.“ (W. S. 191)Cornelies Mütterlichkeit wird demgemäß von dem Wunsch nach dem Aufbau einesMachtverhältnisses zwischen ihr und ihrem Kind getragen, sie will ihren Sohn auf gewisseWeise von sich abhängig machen. 259 Zugleich lässt sich jedoch in ihrer Haltung ein257 Diese erotische Komponente untersucht genauer Barbara Vinken. Siehe mehr dazu: Barbara Vinken:Inzest und totaler Krieg. <strong>Ina</strong> <strong>Seidels</strong> politische Romantik und der Nationalsozialismus. In: Petra Leutner(Hrsg.): Das verortete Geschlecht. Literarische Räume sexueller und kultureller Differenz. Tübingen 2003, S.175-184.258 Worin man wieder eine Affinität zu Bachofens Konzept der Mütterlichkeit als eines widersprüchlichenPhänomens erblicken könnte.259 Grażyna Barbara Szewczyk bemerkt, dass Cornelie ihre Mutterschaft dazu nutze, um sich als Mutter inihrer dominanten Rolle zu bestätigen und dass ihre Mütterlichkeit eine Art Machtausübung sei. Vgl.: GrażynaBarbara Szewczyk: Starke Mutter – ewige Mutter. Zwei Mythen und zwei Paradigmata der Weiblichkeit <strong>im</strong>

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