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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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86und in diesem Sinne richtig agiert: sie verstößt nicht gegen die Normen der Moral, dasWissen um das moralisch Angemessene ist ihr auf gewisse Weise angeboren. Sie verfügtüber die Fähigkeit, instinktvoll zwischen dem Guten und Bösen zu unterscheiden:„Dann ging sie zu Bett, recht eigentlich aus Gewohnheit, denn müde war sie nicht. Aberdiese Nacht war doch zum Schlafen da, und es war fast unmoralisch, auf zu sein, wenn esweder Arbeit noch Kinder gab.“ (H. S. 55)Solches Konzept des Weiblichen, in dessen Wesen die Moral gleichsam eingeschrieben ist,findet sich auch bei Georg S<strong>im</strong>mel und J. J. Bachofen. 234Brigitte fehlt jedoch, wie gesagt, der geistige Umgang mit ihrer Mütterlichkeit, diemehr Instinkt als eine überlegte Haltung der Welt gegenüber ist. Als eine <strong>im</strong> Stofflichenbehe<strong>im</strong>atete Mutter ist Brigitte zu keiner Entwicklung fähig, sie ruht in ihrer Mütterlichkeitwie die Bachofensche und S<strong>im</strong>melsche Große Mutter. Doch auch dieser pr<strong>im</strong>itiveMutterinstinkt gibt ihr die notwendige Stärke, mit dem Leben zurechtzukommen,insbesondere nach dem Selbstmord ihres Gatten Daniel. So äußert sie sich zu ihrem SohnAage nach dem Tod Daniels:„Mutter ist jetzt nur für dich da, nur für dich…“ Sie lauschte dem Klange dieser letztenWorte nach, und ein Lächeln ging über ihr müdes Gesicht, als fühlte sie, daß eine Kraft inihnen ruhte, wie in einem Talisman, der gegen Herzensnot und Kummer feit.“ (H. S. 209)Es ist nicht außer Acht zu lassen, dass jene in der Protagonistin ruhende Kraft von ihr nichtbewusst angenommen wird, was vor allem der hier verwendete Konjunktiv suggeriert.Brigitte scheint die in ihr liegende Potenz erst zu ahnen, ohne sie noch richtig erkannt zuhaben. Auf diese Weise wird nahe gelegt, dass Brigittes Mütterlichkeit das Versprechenneuer Möglichkeiten und Perspektiven birgt, welche Brigitte nicht wahrnehmen kann, weilsie zu sehr in ihrem Körper befangen ist. Man könnte folglich die These aufstellen, dass<strong>Ina</strong> Seidel mit der Gestalt der erdgebundenen Brigitte eine Art Auftakt zu dervollkommenen Mutter Cornelie aus dem Wunschkind schafft, für welche die stofflicheGrundlage der Mütterlichkeit den Ausgangspunkt ihrer inneren Entwicklung bilden wird.234 Vgl. die Kapitel zu Georg S<strong>im</strong>mel und J. Bachofen.

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