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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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146dabei auf die angedeutete Verwandtschaft zu Cornelie von Echter zurückführen: ihrereligiöse Haltung könnte das Erbe der tiefgläubigen Cornelie sein.Im Gegensatz zu Cornelie kann Charlotte nicht so stark wie sie werden: denn ihrgrößter Fehler scheint darin zu liegen, dass sie sich der in ihr ruhenden Stärke nichtbewusst wird. Obschon die Kraft Cornelies in ihrer alles umfassenden Mütterlichkeit lagund die potenzielle Stärke Charlottes ihre tiefe Religiosität ist, ist ihnen beiden gemeinsam,dass sie dieses jeweilige Potenzial bewusst annehmen sollten. Hinweise darauf findet manebenfalls <strong>im</strong> Text: Charlotte ist zwar der Inbegriff einer besonderen Gnade, sie ist zugleichdas„Ergebnis einer Tradition und Erziehung […], die hier völlig zur Natur geworden waren; erahnte, daß das hier waltende, Natur und Erziehung verschmelzende Element durchaushöherer Artung, religiöser Prägung war, aber keinesfalls von bewusster Erkenntnis, vonwillensmäßiger Bemühung abhing.“ (E. S. 223)Charlotte ist auch „von einer besonderen Klugheit des Herzens, und ohne es zu wissen,denn <strong>im</strong> Gründe ist sie sehr demütig […]” (E. S. 24). Als eine starke, sich jedoch ihrerselbst nicht bewusste Persönlichkeit wird sie auch von ihrem Sohn beschrieben: „er[Charlottes Mann] hat nie gewußt, daß sie die Stärkere war. Vielleicht hat sie’s selbst nichtgewußt.“ (E. S. 105)Die bewusste Erkenntnis der eigenen Veranlagung bleibt <strong>im</strong> Falle Charlottes aus: dadurchlässt sich auch die Passivität Charlottes erklären und ihre ausweichende Haltung als eineEinstellung zum Leben überhaupt.Diese Verhaltensweise Charlottes kommt insbesondere in der Beziehung zu ihremMann und ihren Kindern zum Vorschein: Charlotte ist in erster Linie eine sich dem Mannefügende Gattin, deren mütterliche Liebe ihr jedoch nicht die Kraft gibt, die Kinder vor demdespotischen Vater zu schützen. Sie versucht vielmehr, die entstehenden Konflikte zuschlichten oder ihnen aus dem Wege zu gehen. Ihre Konzentrierung auf den Mann bestehtauch darin, dass sie „ihn abzulenken und in bösesten Stunden seinen Schutzengel zuvertreten verstand“ (E. S. 132). Deswegen zieht sie erst nach dem Tode ihres Mannes zuihrer Tochter Elisabeth um: sie tut das freilich auch nicht aufgrund eigener Entscheidung,sondern infolge der Vermittlung ihres Schwiegersohnes, welcher sich eine heilendeWirkung von der Anwesenheit der Mutter in der Nähe seiner leidenden Frau erhofft. Aberauch nach dem Einzug Charlottes in das Haus ihrer Tochter wird die Mutter-Tochter-

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