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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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221anscheinend mit seiner Meldung hatte einholen wollen, lächelte er Rasmus nochmals zu undverschwand.“ (Z. S. 39)Die Klavierspielerin übern<strong>im</strong>mt die Rolle der abwesenden Mutter ihres Bruders. Obgleichsie selbst kinderlos ist, verfügt sie über die Eigenschaften einer guten Mutter: sie istfürsorglich, liebevoll und wärmespendend. Man kann annehmen, dass die Protagonistin,indem sie die Mutter Mannos spielt, aus der untergeordneten Position seiner Begleiterin zuschlüpfen versucht: als eine ‘Mutter’ ist eben sie die überlegene, ihrer mütterlichenWirkung muss sich der Bruder unterordnen.Die Mütterlichkeit Merulas ist es, was den Arzt Rasmus als Mann anzieht; ihr Reizbewirkt jedoch vor allem, dass er Merulas Mütterlichkeit als Möglichkeit, als einVersprechen der Mutterseins wahrn<strong>im</strong>mt und dass diese Mütterlichkeit die Frau in dieNähe des Sacrums bringt:„Das ist aber doch keine Frau“, dachte Rasmus jetzt ganz verwirrt, seiner Arbeit wiederzugewandt, ohne fortfahren zu können. „Jungfräuliche Mutter!“ fügte er staunend hinzu.Diese Neigung, mit der sie sich über den Liegenden gebeugt hatte [über ihren Bruder Manno– N. N.] – das schmerzliche Lächeln ihres Mundes dazu -, es waren so ganz Neigung undLächeln einer jugendlichen Pietà gewesen, die er heute in irgendeiner Kirche gesehen hatte.“(Z. S. 11)Und etwas weiter liest man, dass dem männlichen Erzähler „die Seligkeit von MerulasNähe“ auffällt und dass „sie anzusehen gesteigertes Leben“ (Z. S. 19) bedeute – fürRasmus gleicht die Klavierspielerin einer „Virgo Mater“ (Z. S. 40). Dadurch, dass Merulaals ‘jungfräuliche Mutter’ dargestellt wird, wird angedeutet, dass die Anlage derMütterlichkeit nicht nur auf das Biologische begrenzt werden muss. Auch eine alleinstehende Frau, wie sie von Merula repräsentiert wird, könnte eine ‘Mutter <strong>im</strong> Geiste’werden – den Forderungen Helene Langes und Gertrud Bäumers zufolge. 419 DieVoraussetzung ist allerdings, dass die Frau ihre Jungfräulichkeit bewahrt.Dass diese ‚vergeistigte’ Mütterlichkeit der Frau eine besondere Chance bietet,innerhalb der von den Männern dominierten Welt einen eigenen Ort zu finden, wird ebendadurch suggeriert, dass der Zustand der Virgo Mater für den Arzt Rasmus eine ArtÜbergangsphase ist, die überwunden werden muss. Für den männlichen Erzähler kann das419 Vgl. das Kapitel zu Lange und Bäumer.

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