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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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53„Wir messen die Leistung und die Gesinnung, die Intensität und die Ausgestaltungsformendes männlichen und des weiblichen Wesens an best<strong>im</strong>mten Normen […]; aber diese Normensind nicht neutral, dem Gegensatz der Geschlechter enthoben, sondern sie selbst sindmännlichen Wesens.“ (S. S. 58)Das, was man normalerweise als das Objektive, Sachliche und Allgemeingeltendeeinstufen würde, hat <strong>im</strong> Grunde einen männlichen Charakter. Das Männliche erweist sichin diesem Sinne als ein sehr umfassender und scheinbar ‚geschlechtsloser’ Begriff, inBezug auf welchen alles definiert wird. Der Mann wird zur Norm, an der alles gemessenwird, und die Männlichkeit selbst zum Maßgebenden: auf diese Weise, so S<strong>im</strong>mel, setztsich der Mann als „das Absolute“ (S. S. 93). In dieser Verabsolutierung des Männlichenwurzelt eben die gesellschaftlich sanktionierte Machtstellung der Männer.Da das Männliche das zugleich Normative ist, wird auch die Frau mit Hilfe vonmännlichen Kriterien beurteilt. Diese Kriterien sind jedoch nicht für sie gedacht, weil siedurch den Mann und für den Mann geschaffen wurden – darin zeigt sich eben der Grundfür die gesellschaftliche Herabsetzung der Frau, die folgerichtig als ein anderes Wesen mitHilfe von für sie spezifischen Kriterien beurteilt werden müsste. Es entsteht ein ideellesVakuum, ein Leerraum, in welchem die Frau dennoch existiert und in welchem sie sichbehaupten muss. Ihre Existenz n<strong>im</strong>mt einen paradoxen Charakter an: Sie ist da, istanwesend, aber nichts gehört ihr, nichts ist ihr eigen, und dessenungeachtet sollte sieversuchen, eine selbständige Position zu beziehen. 151 Schuld an der Diskr<strong>im</strong>inierung derFrau trägt der Mann auch insofern selbst, als er sie mit einer „Doppelheit der Massstäbe“(S. S. 61) beurteilt. Laut S<strong>im</strong>mel sucht der Mann in der Frau auf der einen Seite dasspezifisch Weibliche, das, was er selbst nicht ist und nicht besitzt, und zugleich erwartet ervon ihr, dass sie „ihm gefallen, ihm dienen, ihn ergänzen soll.“ (S. S. 61)Diese an die Frau gestellten Ansprüche schließen sich aus und sind keineswegs zuvereinigen. Den bisherigen theoretischen Konzepten habe <strong>im</strong>mer die falsche Annahmezugrunde gelegen, dass das Geschlechterverhältnis ein Relationsverhältnis sei. NachS<strong>im</strong>mel wurde noch kein Versuch unternommen, die Frau an und in sich zu beschreiben,151 Der Gedanke, dass die Frau einer Doppelbelastung ausgesetzt ist, indem sie eine Stellung innerhalb undaußerhalb der vorhandenen Ordnung beziehen muss, wird später von der Literaturwissenschaftlerin SigridWeigel wiederholt. Siehe mehr dazu: Sigrid Weigel: Der schielende Blick. Thesen zur Geschichte weiblicherSchreibpraxis. In: Inge Stephan, Sigrid Weigel (Hrsg.): Die verborgene Frau. Sechs Beiträge zu einerfeministischen Literaturwissenschaft. Berlin 1983, S. 83-137.

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