11.07.2015 Aufrufe

Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

105altruistischer Zug verzeichnen, die Bereitschaft, um des Kindes willen selbstlos zu werden,was die ‚Auflösung’ ihrer Person und der Zustand „außer dem Leibe“ nahe legen könnten.Aus dem Zitat ergeben sich auch Hinweise darauf, dass die mütterliche Hingabe andas Kind das weibliche Ich über die Grenzen seines Körpers hinausgehen lässt und dass esdank dieser Hingabe auf gewisse Weise die Grenze des Spirituellen streift. In diesem Sinnen<strong>im</strong>mt die Mütterlichkeit der Protagonistin den Charakter eines geistigen Phänomens an:der <strong>im</strong> Körperlichen verwurzelte Mutterinstinkt wird in eine ‚gereinigte’ Gestalt, diegeistige Mütterlichkeit, überführt. Eine Bestätigung für diese These liefert das folgendeZitat:„Gott hätte der Menschheit als Naturtrieb die Mütterlichkeit gegeben, in der Nächstenliebeund Opfersinn schon vorgebildet seien, freilich nur auf das eigene Blut gerichtet. Christushabe diesen Naturtrieb zur Religion erhoben und ihn durch sein Beispiel, seine Lehre, seinLeben – sein Sterben geheiligt. Niemand, sagte er, sei Christus so nahe, wie eine rechteMutter, wenn sie denn eine Christin sei – nämlich auch eine Mutter <strong>im</strong> Geiste…“ (W. S.968)Dem Abschnitt lässt sich entnehmen, dass die Autorin <strong>Ina</strong> Seidel zwischen zwei Arten derMütterlichkeit unterscheidet: der naturgegebenen und der geistigen, wobei die geistige ausder natürlichen zu erwachsen scheint. <strong>Ina</strong> Seidel plädiert hier offenbar dafür, dass dieFrauen ihre natürliche Mütterlichkeit auf ein höheres, geistiges Niveau heben sollten.Belege für diese These liefert der <strong>Seidels</strong>che Aufsatz Mütterlichkeit –Brüderlichkeit, in welchem die Autorin ebenfalls zwischen zwei Arten der Mütterlichkeitunterscheidet. Zum einen handelt es sich um die ‚natürliche’, zum anderen um die„durchgeistigte“ 260 Mütterlichkeit. Die natürliche Mütterlichkeit sei mit anderen Wortenals eine „Naturanlage“ zu verstehen, die sich auf den unmittelbaren Lebenskreis derjeweiligen Mutter erstreckt. Sie ist zugleich etwas Elementares und Triebhaftes, das sichauf das Irdische beschränkt. Als Ausdruck „des Selbsterhaltungstriebes der Menschheit“ 261vermag die natürliche Mütterlichkeit die bestehende Ordnung der Dinge nicht zu ändern,Werk von <strong>Ina</strong> Seidel und Gertrud von Le Fort. In: Mirosława Czarnecka, Krystyna Gabryjelska, ChristaEbert: Die Bilder der neuen Frau in der Moderne und den Modernisierungsprozessen des 20. Jahrhunderts.Wrocław 1998. S. 225-231, hier S. 227.260 Vgl. <strong>Ina</strong> Seidel: Mütterlichkeit - Brüderlichkeit. In: (Dies.): Frau und Wort. Ausgewählte Betrachtungenund Aufsätze. Stuttgart 1965, S. 241-244, hier S. 243.261 Ebd. S. 242.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!